Was nehme ich mit nach Hause?

Was nehme ich mit nach Hause?

willow-header-720Die [ersten Eindrücke] sind verdaut, die ersten Erfahrungen ausgetauscht. Was nehme ich vom vom [Willow-Leitungskongress 2016] und dem einleitenden Seminartag von „[Fresh eXpressions Of Church]“ mit nach Hause?

Für meine Gemeinde war es absolut wertvoll, dass die komplette neue Gemeindeleitung und noch einige weitere Gemeindemitglieder dabei waren. Unsere Tochtergemeinde war sogar mit einer 20-er-Crew vertreten. Die haben jetzt viele Leute, die der Gemeindeleitung auf die Finger sehen können! Aber auch für mich selbst gab es neue Perspektiven oder Vertiefungen von bereits Gelerntem. Die Vorträge von Bill Hybels über die Hinter- und bisweilen auch Abgründe in der Wahrnehmung von Leitung gingen über das in Büchern und Seminaren gelehrte Standardprogramm hinaus. Die Persönlichkeit des/der Leiters/Leiterin, die eigenen Leitungserfahrungen sowohl passiv (in der Kindheit!) als auch aktiv spielen eine große Rolle. Mein charismatisches [Ausbildungsmodul] kam mir des öfteren in den Sinn. Nicht aufgearbeitete Brüche und negative Erfahrungen in der Lebensgeschichte wirken sich unausweichlich auf die eigene Leiterrolle aus, bis hin zum Scheitern als Gemeindeleiter (siehe Literaturliste Peter Scazzero).

Leiter/innen haben Einfluss, ja Macht. Wenn sie ein Amt haben, bestimmen sie mit ihren Teams sogar die offiziellen Richtlinien einer Institution. Autoritärer Führungsstil kann hier viel kaputt machen. Umgekehrt trägt ein liebevoller Umgang mit Mitarbeiter/innen viel zu Betriebsklima, Motivation und Leidenschaftlichkeit in der Verfolgung von Unternehmenszielen bei. Joseph Grenny war mit seinen beiden Vorträgen über die Basics und über das Führen von schwierigen Gesprächen sehr wesentlich für unser neues Gemeindeleitungsteam, aber auch für die neuen Aufgaben, die sich für mich abzeichnen.

Über Liz Wiseman habe ich schon [im vorigen Beitrag] gebloggt. Sie war eine wohltuende Bestätigung dessen, was ich für mich verwirkliche und was mir im gerade angebrochenen Alter großes Vergnügen bereitet und auch bereits während der für Viele schwierigen „Midlife-Crisis“ mächtig geholfen hat, nämlich mit jungen Leuten zusammen zu lernen und Weiterbildungsstudiengänge mit den üblichen Examen zu absolvieren. „Mein freiwilliges Jahr“ als Volunteer versetzt mich wiederum genau in eine solche Situation, zu lernen und gleichzeitig auch bereits gesammelte Erfahrung ins Gemeindeleben punktuell einzubringen. Jetzt auf der „Zielgeraden“ kann ich schon etwas stärker darauf schauen, was die Andreasgemeinde von meiner Mitarbeit hat und nicht nur ich von der Andreasgemeinde. Leiterinnen und Leitern ist nur zu wünschen, dass sie Lust auf Lernen behalten und die Zeit finden, neben ihren Berufen Fortbildungen zu belegen und sich weiter zu qualifizieren!

Michael Herbst hat weniger das Thema Leitung ins Visier genommen, sondern über Barmherzigkeit gesprochen. Ohne dass er es erwähnte, ist [Barmherzigkeit in der kath. Kirche] das Motto für das gegenwärtige, außerordentliche „Heilige Jahr“ – was die kath. Kongressminderheit weiß, und manch anderer sicher auch, der über den konfessionellen Tellerrand hinaus schaut. Aber selbstverständlich handelt es sich hierbei auch um Leitungskompetenz, nämlich wie wir miteinander umgehen und wie sich eine Gemeinde/Kirche in der Gesellschaft christlich zu positionieren hat! In meiner freikirchlichen Gemeinde ist diakonisches Handeln eine etwas unterbelichtete Gemeinde-Grundfunktion. Flüchtlingsarbeit ist im Stadtteil und in den Nachbar-Kirchengemeinden auf einem guten Weg, auf dem man sich nur anzuschließen bräuchte. Etwas Neues zu initiieren ist gar nicht mehr nötig. Warum ihr es so schwer fällt, mag zum Teil  daran liegen, dass sie einen Fehler der Großkirchen wiederholt, nämlich sich immer und immer wieder mit sich selbst und ihrer (Leitungs-)Struktur zu befassen, anstatt ihre eigentliche Berufung [ihre „DNA“!] unverdrossen und zuversichtlich in Taten umzusetzen. Eine Freikirche ohne Engagement im Kontext ihrer Stadtgesellschaft verfehlt ihre Mission. „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“ (Jean Gaillot) Gebet und Evangelisierung könnten neuen Schwung gebrauchen. Der kommt nicht von Außen, auch nicht von den Leitern, sondern es ist Aufgabe jedes Gemeindemitglieds, vom Geist Gottes bewegt in die Zukunft zu gehen und sie zu gestalten – gewaltig, unbändig, mit Feuereifer, mit glühender Herzlichkeit! Nur Gott schafft das, meint Michael Herbst zum Abschluss, und ich denke: Wir dürfen dabei sein!

Es war mein drittes „Lernfeld Leitung“ in diesem Jahr als Volunteer. Dass es sich so entwickelt hat, kommt sicherlich nicht von Ungefähr. Auf meinem Weg in der Andreas-Gemeinde sehe ich mich nach wie vor vom Geist Gottes geführt, mit einer Unwiderstehlichkeit (die ich ausgerechnet bei bisher drei Jugendgottesdiensten erlebt habe), wie ich sie in meinen ganzen Berufsjahren nicht erfahren hatte. Und jetzt verdichtet es sich auch noch,  Schritt für Schritt, und ich bin unendlich dankbar für die Weggefährten, die mich sehr kritisch begleiten. Danke Gott, danke Jesus, danke für deinen Geist, der in uns wohnt und alles neu macht. Danke, dass ich „nicht länger ein Sklave der Furcht mehr bin“ (I am no longer a slave of fear. I am a child of God): weder vor neuen, ungewohnten und unverhofften Herausforderungen, weder aufgrund meiner eigenen Schwäche und selbstverursachten Fehlerhaftigkeit, noch vor konfessionellen Widerständen, noch vor Leuten, die ihre eigenen Frömmigkeitsformen für das Non-plus-Ultra halten, noch vor gestellten Bedingungen, die Strukturfragen höher bewerten als die Inhalte der Erstverkündigung (Kerygma): im Wortlaut nachzulesen in Evangelii Gaudium Nr. 3+164. Sie gelten für die gesamte kirchliche Szene in meiner Stadt, egal ob groß- oder freikirchlich.