Supergau (3)

Supergau (3)

In der Neuen Osnabrücker Zeitung identifiziert Stefanie Witte (deren Journalismus ich sehr schätze) den Rücktrittswunsch von [Reinhard Marx] als Erzbischof von München als „Supergau“ für die kath. Kirche in Deutschland. Ich setze dazu ein dickes Fragezeichen, denn wir dürfen nicht vergessen: Der [Supergau] ist ein ganz anderer: Er begann spätestens 2010, als die ersten Missbrauchsverbrechen aufgedeckt wurden. In über 10 Jahren ist es dem Deutschen Katholizismus mit seinem kirchenamtlichen Herumeiern nicht gelungen, in allen Bistümern die längst beschlossenen systemischen Konsequenzen zu ziehen. Dazu kommen die unfassbaren Skandale mit den sog. „Legionären ChristI“ und anderer. Nach den Massengräbern bei kath. Kinderheimen in Irland ist nun in Kanada ein weiteres Verbrechen aufgedeckt worden. Politiker und Nachkommen der Betroffenen fordern eine öffentliche Entschuldigung von PP. Franziskus. Erst jetzt und viel zu spät kommen die Laiengremien langsam in Bewegung – und sind gespalten zwischen berechtigter Kritik am hierarchischen System und blinder Trauer über das Ende der kath. Volkskirche des 19. Jhdts.

Ich werde es nicht weiter kommentieren, wenn in München „ein Sack Reis umfällt“. Die Synodalität der kath. Kirche, über die zusammen mit der „Basis“ in den nächsten drei Jahren weltweit beraten werden soll, ist in Lateinamerika fortgeschrittener als bei uns. Ich warte nicht, bis „sich“ etwas in der kath. Kirche Deutschlands ändert. Dafür habe ich nicht mehr genug Lebenszeit. Mit meinem [Wechsel] in den [Mülheimer Verband] (MV), der „Mutter der Pfingstbewegung in Deutschland“, habe ich vor zwei/drei Jahren meine persönlichen Konsequenzen gezogen, wobei die Missbrauchsverbrechen gar nicht hauptursächlich sind. Hauptauslöser ist vielmehr PP. Franziskus mit seinem Rundschreiben „Evangelii Gaudium“ von 2013, das im deutschen Katholizismus überhaupt nicht verstanden wird, denn es enthält die Vision einer missionarischen und ent-klerikalisierten Kirche:

„…betone ich, dass das, was ich hier zu sagen beabsichtige, eine programmatische Bedeutung hat und wichtige Konsequenzen beinhaltet. Ich hoffe, dass alle Gemeinschaften dafür sorgen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf dem Weg einer pastoralen und missionarischen Neuausrichtung voranzuschreiten, der die Dinge nicht so belassen darf wie sie sind.“ (EG 25)

Und in Nr. 3 führt PP. Franziskus in geradezu „evangelikaler“ Argumentation aus, dass die persönliche Beziehung zu Jesus Christus die Basis aller Erneuerung ist. Meine Einschätzung, dass dies in  bestimmten Freikirchen überzeugender verwirklicht wird und dass das hierarchische Weiheamt obsolet geworden ist und daher [abgeschafft gehört], muss man nicht nachahmenswert finden.  Aber für mich bedeutet es eben kein kardinales „ich habe kein Bock mehr“ und Austritt aus der Kirche (als einer von den 2 Millionen, die seit 2010 aus der kath. Kirche in Deutschland ausgetreten sind!), sondern „ich will noch was reißen“ und Eintritt in eine geistliche Bewegung, deren Vielfältigkeit durchaus manchen traditionell orientierten Gemeindemitgliedern Probleme bereitet. Nicht nur die kath. Kirche, auch die [Evangelische Allianz] mit ihren Mitgliedern ist ein bunter Haufen geworden. Solche Synodalität mag ich.

Im übrigen hat die freikirchliche Szene auch ihre Spannungen, Probleme und [Supergaus]. Interessanterweise ist das Thema Missbrauch schon im Mülheimer Verband diskutiert worden, als die dt. Bischofskonferenz noch Mühe hatte, sich überhaupt der Problematik zu stellen. Im Focus steht hier allerdings eher „Geistlicher Missbrauch“, Gesetzlichkeit von Gemeindeleitungen und -mitgliedern, moralische Übergriffigkeit und das Drohen mit dem Höllenfeuer gegen unbotmäßige Gemeindemitglieder oder aufmüpfige Jugendliche. Ich gehe davon aus, dass in „meiner“ Gemeinde ehrlich und respektvoll miteinander umgegangen wird, und wo nicht, ein professionelles Coaching-Verfahren in Anspruch genommen wird. So etwas kenne ich aus meiner „alten Firma“ nicht. Konflikte wurden gerne unter den Teppich gekehrt.

  • Wie entwickelt sich unser Glaube seit Corona?
  • Wie gestalten wir unser Gemeindeleben [in Zukunft]?
  • Wie glaubwürdig ist eine in konfessionellem Hickhack gespaltene Kirche noch?
  • Welche Berufung/Aufgabe hat unsere Gemeinde in der Stadtgesellschaft?
  • Welche Ziele haben wir, und in welcher Zeit wollen wir sie erreichen und evaluiert haben?
„Gedächtnismahl | Gemeinschaftsmahl | Bekenntnismahl | Hoffnungsmahl“ (MV-DNA S. 15)

Mit solchen Fragen sollten wir uns befassen und neue Transformationspfade des Glaubens freitreten. Ich selber sehe mich durch die Corona-Krise und -erlebnisse in meinem Glauben auf unvorhersehbare  Art und Weise gestärkt. Auf kaum einen Gottesdienst musste ich verzichten (außer während meiner eigenen Covid-Erkrankung), weil wir sofort auf [Livestreaming und Homechurch] umsteigen konnten. Keine Eucharistiefeier (sorry liebe Katholiken, für mich ist es so…) ist ausgefallen. In jedem Gottesdienst sind unsere Kirchenmusiker wie immer aktiv und mussten und konnten uns als „singende Gemeinde“ vertreten. Beziehungsarbeit, die Stärke kleiner Gemeinden, wurde halt fantasievoll und digital weiter gemacht, und das nicht nur im Jugendbereich. Selbstverständlich freuen wir uns, wenn wir uns auch körperlich wieder näher kommen dürfen. Eine ganz neue Wertschätzung nicht nur unseres Miteinanders bricht sich Bahn, sondern auch die Erfahrung der Home-Church, wie zu Zeiten der Urgemeinde. An den thematisch „freien“ Sonntagen der nächsten Zeit werden wir uns mit der Apostelgeschichte befassen. Wir haben gemerikt, dass Gott mit seinem Heiligen Geist in jedem und jeder von uns Wohnung nehmen möchte (eine WG!, vgl. Offb. 3, 20) und diese geistliche Realität nicht  Promis, geweihten Amtsträgern oder besonders frommen Leuten vorbehalten ist. Mt. 18, 20 ist Realpräsenz pur, ich habe  schon mehrfach betont, dass die Abwertung dieses Jesuswortes zugunsten sakramentaler Traditionsdogmatik ein Unding ist, weil sie die  Herausforderungen der Postmoderne mit mittelalterlicher Scholastik bewältigen will. Das kann man niemandem mehr plausibel machen.  Unsere corona-konformen Gebets-Spaziergänge zu zweit haben das produktiv ersetzt, was Fronleichnamsprozessionen heute nicht mehr leisten (weil es hier im Nordwesten nur noch eher traurige Restbestände gibt, bzw. sie schon zweimal ausgefallen sind ) …

Auch an den Chatmoderator des Livestream-Gottesdienstes haben unsere „Messdiener“ gedacht…!

Meine Schlüsselbegriffe für die nächste Zeit: Zuversicht! Unverzagt bleiben!
Mein Bibelstellen-Ranking: Jes. 43, 18f | 2. Tim. 1, 6-8a | 1. Petr. 1, 3

 

[Supergau 1]
[Supergau 2]

 

 

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