Noch ne Pedalpilgerfahrt…

Noch ne Pedalpilgerfahrt…

… diesmal an zwei Tagen von Osnabrück nach Telgte und zurück. Nicht, dass ich [den Hals nicht voll bekommen] könnte, aber die „[Osnabrücker Telgter Wallfahrt]“ ist ein fester Termin, jährlich am 2. Sonntag nach Peter+Paul, also nach dem 29. Juni.

Wir fahren parallel zur größten Fußwallfahrt Deutschlands (2025 mit 4.500 Tln.), aber nicht auf der B 51, sondern im Zickzack auf ausgewiesenen Radwegen, und machen Stationen in den Kirchen am Weg. Zum Mittag in Ostbevern essen wir die Reste, welche die Fußpilger übrig gelassen haben. Diesmal war die Erbsensuppe leider schon alle, aber eine Wurst- und Pommesbude war noch auf, und im Gemeindehaus gab es noch reichlich Torten und Kuchen… Am Stadtrand von Telgte warten wir auf die Fußpilger und reihen uns hinter ihnen ein, um die letzten paar 100 m schiebend zurückzulegen.

Die Wallfahrtskirche in Telgte wird gerade umgebaut, sodass das ganze Event in Zelten auf der Emswiese stattfand. Manchem Pilger behagte dieses vorübergehende Provisorium nicht – nagut, das Ganze drumrum hatte starken Schützenfest-Charakter. Aber typisch für Deutschland wurde dran rumgemeckert, statt sich über das verstärkte Engagement der Ehrenamtler zu freuen, die Wallfahrten aus vielen Orten nach Telgte am Leben zu halten. Die Alternative wäre ja Absagen gewesen. Jeden Tag wird die spätgotische Madonna morgens und abends verpackt und zwischen der Wallfahrtskapelle und dem Emswiesen-Zelt hin- und hergeschafft!

Emswiese statt Wallfahrtskirche

Zum Inhaltlichen kann ich nur sagen: Die Impulstexte im Osnabrücker Wallfahrtsbuch finde ich richtig gut, und ich benutze sie für die Rückfahrt auch. Die traditionellen Marienlieder und -gebete sind schrecklich bis scheußlich, biblisch und theologisch zum großen Teil unhaltbar. Aber einfach abschaffen kann man sie auch nicht. (Alternativen? Fehlanzeige…) Ich muss ja nicht mitsingen.

Mein Zugang zu Maria ist protestantisch-herb, denn Marienverehrung wurde bei uns zu Hause in Hamburg kaum praktiziert, obwohl die kath. Tradition meiner Vorfahren aus dem Eichsfeld hochgehalten wurde. Und auch im Blick auf meinen Lebenslauf kann ich mit dem Motiv der „Schmerzhaften Mutter“ in Telgte nicht viel anfangen. Immerhin ist die Madonnenfigur eine Pietà, d.h. sie hält uns den gekreuzigten Jesus entgegen, und zu ihm pilger ich natürlich gerne, und fasse ihn auch an (seitdem ich mal im Urlaub gesehen habe, wie junge Männer in Osteuropa Ikonen küssen!). Um ihn muss es uns Christen gehen! „Focus Jesus“, das versuchen die Wallfahrts-Verantwortlichen auch verstärkt hervorzuheben – mit mäßigem Erfolg im Kirchenvolks-Brauchtum… Mein ganz persönlicher Zugang zum Telgter Wallfahrtsmotiv lautet daher „Maria Influencerin“ (Joh. 2, 5)!

Für mich ist die Pilgerfahrt ausschlaggebend, und diesmal eben auch das Gemeinschaftserlebnis mit vielen Gesprächen. Mit 80 Radelnden im Seniorenalter sind wir gestartet, und zum Einzug in Telgte waren wir 177 auf dem Rad. Gut, dass genug ADFC-Tourguides zum Absichern bei Autostraßen-Überquerungen mit waren. Auf der Rückfahrt, die ich zum 2. Mal organisiert hatte, waren wir überschaubare 10. Die meisten fahren abends per Bahn wieder zurück, oder lassen sich mit dem Auto abholen, wie auch die meisten der Fußpilger, die sich dann am frühen Sonntagmorgen wieder nach Telgte kutschieren lassen.

Beichten tut eine solche Klimasünde und den Verstoß gegen das „8. Werk der Barmherzigkeit“ (PP. Franziskus: Bewahrung der Schöpfung, Klima- und Umweltschutz) wahrscheinlich niemand. Also eine Pilgertour über nicht ganz 120 km an zwei Tagen ohne Übernachtung am Wallfahrtsort ist für mich keine Wallfahrt. Daher habe ich zusätzlich zum Bündel mit dem Nötigsten mein Schlafgepäck von 2,5 kg (Schlafsack+Luftmatratze) zweimal über den Teutoburger Wald hinweg transportiert, was für mich als Muskelbiker durchaus nicht ohne Anstrengung vonstatten ging. Dafür war (neben den rasanten Talfahrten) das professionelle Frühstücksbuffett im Massenquartier in der St. Rochus-Klinik (Mitarbeiter-Cafeteria) eine ausgesprochen formidable Entschädigung: Ab 5 Uhr in der Früh hat der Koch seinen Dienst geschoben! Man zahlt das, was einem die Übernachtung wert ist.

blau: Hinfahrt, rot: Rückfahrt, braun: Teutopassage mit dem „Haller Willem“

Die Stationen auf der Rückfahrt:

  1. Ostbevern St. Ambrosius (alte Kirche/Turmkapelle): Gott loben und den Nächsten lieben (Ambrosius ist der „Erfinder“ von „Großer Gott, wir loben dich“, GL 380/EG 331), Joh. 13, 34-35
  2. Lilienvenn Naturschutzstation (open air): Die Schöpfung bewahren, Sonnengesangs-Litanei, Ps. 104, 24
  3. Kattenvenne Ev. Kirche: Einmütig glauben, Joh. 17, 21
  4. Lengerich St. Margareta (Werktagskapelle): Den Glauben bezeugen, Offb. 7. 9-10
  5. Leeden, Ev. Stiftskirche: Frieden stiften, Joh. 14, 27
  6. Hasbergen St. Josef (Werktagskapelle): Hoffnung mitten im Business, Ex./2. Mos. 3, 1–4; Mk. 1, 16–20
  7. Sutthausen Gutskapelle: Schlussandacht Hoffnungsfroh unterwegs, Eph. 2, 19-20

Nass geworden sind wir auf der Rückfahrt in Lengerich auch noch, aber zum Glück nur kurz. Die Unterwegs-Kirchen (4 kath., 2 ev.) hatten ihre Toiletten und Waschräume geöffnet, und an zweien wurden wir erwartet und begrüßt (1 ev. mit Pilgersegen, und für den Abschluss kath.). Von dort aus bin ich schnell zum heimischen Castle gefahren, denn am Himmel brauten sich die nächsten Regenwolken zusammen.