Habe ich das Kriegsverbrechen in der Ukraine am Jahresgedenktag für meine persönliche Fitness („Winterpokal“) missbraucht?
Ge-braucht, ja, und dazu stehe ich auch. Natürlich hätte ich mich hier zu Fuß in meiner Stadt einreihen können, aber es musste ja unbedingt der am dünnsten frequentierte Abschnitt mitten auf dem Land sein, den ich auch noch per Fahrrad ansteuern wollte. Und dann hat „man“ mich einfach zum Streckenposten gemacht. Das hat mir dann gleich zwei Touren eingebracht, denn ich wollte schon noch genauer wissen, auf welchen 1,7 km ich denn für Ordnung zu sorgen hätte. Und dann war das Wetter am 24.02.2023 auch noch so grottenschlecht, dass ich mir die zweimalige Teuto-Passage nicht zugetraut und die steilsten Abschnitte per Bahn überwunden habe.
Also ziemlich gemischte Gefühle am Abend… Und die Erkenntnis: Der Weltfriede fängt in meinem Herzen an. So einfach ist das – eigentlich. Darum ist so ein Zeichen wie die 52 km lange Friedenskette wichtig! Nicht nur als politisches Statement nach außen, sondern als persönlicher „Erfolg“ für die 20.000, die mitgemacht haben.
Was mir das Zeichen bringt: Neuen Elan, gegen Hass und Unversöhnlichkeit einzutreten, das kann ich sehr gut in meiner persönlichen Umgebung machen: Mich sozial und politisch engagieren zum Beispiel.
Wenn Viele das auch machen, färbt etwas davon ab, ja, bis hin nach Moskau, Damaskus, Sanaa und überall dort, wo Menschen ihre Köpfe hinhalten müssen. So ist das mit der Hoffnung und mit dem Menschenrecht auf Gerechtigkeit und Frieden – für alle. Und die Präsidenten dieser Welt: Sie haben die Pflicht, dafür zu sorgen.
Warum mich das auch im Alter antreibt? Weil ich als Christ dem vertraue, der die Parole „Selig sind die Friedenssstifter“ (Mt. 5, 9) ausgerufen hat. Frieden stiften gehört zu den Basics für ein gelingendes Leben.
Das sieht dann eben so aus, dass ich als Verteidigungs-Befürworter Hand in Hand mit meinem Kettennachbarn stehe, der kompromissloser Kriegswaffengegner ist, und Friedensinitiativen nicht schon im Keim zerrede!
Der Kommentator der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ hat auf den Schwachpunkt der Friedenskette 2023 hingewiesen: Die ukrainische Gemeinde war nicht mit im Boot der über 100 (!) Veranstalter. Hier fehlten die Gespräche im Vorfeld. Für Kriegsflüchtlinge ist eine Verhandlungslösung nur schwer vorstellbar. Solange auf beiden Seiten die Maximalforderungen durchgesetzt werden sollen, gibt es auch nichts zu verhandeln. Nur: der Frieden von Osnabrück und Münster 1648 war der erste Verhandlungsfrieden auf dem Kontinent! Was wir (und auch Ukrainer) daraus lernen sollten: So ein Krieg muss eigentlich überhaupt nicht sein! Der Auslöser für den 30-jährigen Krieg war ganz begrenzter regionaler Natur und hätte nicht zum Kriegsausbruch führen müssen.
Übersetzt ins Heute: Warum wurden bei Beginn der Unruhen in den ukrainischen Ostregionen und auf der Krim keine demokratisch legitimierten Bevölkerungs-Umfragen unter internationaler Aufsicht gestartet? Nun könnte der 24.02.2022 als Ausbruch des 3. Weltkriegs in die Geschichte eingehen … Impliziert das Völkerrecht zur Selbstverteidigung das Ziel, das russische Regime mit militärischen Mitteln zu besiegen? Es ist eine Illusion. Sich gegen „den“ Westen und unsere Dekadenz mit einem Krieg gegen die Bevölkerung des Nachbarn wehren zu müssen, ist ein Verbrechen.
Mein Vater war als Soldat in der Ukraine. Als Kind habe ich bei Familienfeiern die Kriegserlebnisse meiner Onkel mitbekommen – die Ortsnamen aus den Nachrichten von heute sind mir alle geläufig! Am 8. Sep. 1943 musste Saporischschja „den größten Feldherrn aller Zeiten“ bei dessen letztem Truppenbesuch ertragen… Auch das macht mich persönlich so betroffen.