Überhaupt war die Einmütigkeit auf dem Kongress „Pfingsten 21“ eines der spürbaren und greifbaren Voraussetzungen für das Wirken des Geistes Gottes in der Kirche und der Gesellschaft. In den Vorträgen kam dies immer wieder zum Ausdruck. Es waren sämtlich Bibelarbeiten: Die Apostel und andere hatten sich „im Obergemach zusammengefunden“, bevor der Heilige Geist über sie ausgegossen wurde. Konfessionen, Dogmen, Weihe oder Ordination gab es nicht – aber das Bekenntnis zu Jesus, das alle einte. Im Einleitungsreferat betrachtete der Baptist Stefan Vatter, welche Verben die Pfingstgeschichte aus Apg. 2 schrittweise vorantreiben.
Die Übersetzung in unser tägliches Leben übernahm dann der Kapuzinerpater Rainiero Cantalamessa, fast 90-jährig und seit Jahrzehnten Prediger des päpstlichen Hauses im Vatikan. „Ein neues Pfingsten wollte Johannes XXIII., Paul VI. wollte ein beständiges Pfingsten. Wir haben hier Pfingsten 21: Pfingsten ist Gegenwart!“ Ich erinnere mich an meine Diplomarbeit vor genau 30 Jahren: Ein neues Pfingsten der Kirche – der Weg des Glaubens und die Grundaufgabe der Seelsorge. Sie drehte sich um die Grundidentität aller Konfessionen: Evangelisierung. Das hatte PP. Paul VI. in seiner verkannten Enzyklika „Evangelii Nuntiandi“ in Nr. 14 formuliert. Im noch immer viel zu wenig gelesenen Schreiben „Evangelii Gaudium“ hat PP. Franziskus das ausführlich für die Kirche und ihre gesellschaftliche Mission entfaltet, als Masterplan und Programm für die Zukunft – ein „immer noch ausstehender Reformprozess“ wie er zwei Jahre danach in „Laudato si’“ (3) lapidar anmerkt.
Das offene Obergemach und die „burning persons“ werfen für den Zustand der Kirche und ihrer Gemeinden in Deutschland viele kritische Fragen auf, die Cantalamessa auch stellte. An Pfingsten drängt der Heilige Geist die Apostel, nach draußen zu gehen. Das muss auch an Pfingsten 21 geschehen! Gottes große Taten werden verkündet, und nicht immer und immer wieder herumkreisen um Strukturreformen. Stattdessen erzählt Cantalamessa von seiner eigenen Bekehrung. Im Mittelpunkt meiner Mission steht Jesus, wie frei er mich gemacht hat, und wie froh ich nach vorne sehen kann. „Pfingsten ist das Anti-Babel. Jeder von uns darf wählen, an welchen dieser beiden Orte er sein Leben verbringen möchte. Selbst dieses Treffen kann dem Satan dienen – wenn wir uns selbst verherrlichen. Wir sind hier, weil wir in der Stadt Gottes (Augustinus) arbeiten wollen“. Analog zur ersten Predigt des Hl. Petrus an Pfingsten gibt uns Cantalamessa vier Schritte auf, um hier und jetzt den Heiligen Geist zu empfangen (und nicht nur erbauliche Vorträge anzuhören):
- Der Hl. Geist überführt uns unserer Sünde:
„Kehrt um, dann werdet Ihr die Gabe des Hl. Geistes empfangen.“ Eine Bedingung, die abhängig ist von uns. Bekehrung: Einlassen auf eine ganz neue Sichtweise der Welt. Nichts ist mehr so wie vorher. Sind wir uns dessen bewusst? Versöhnung mit Gott und den Menschen ist wie eine „Liturgie der Barmherzigkeit“, wie ein „österlicher Exodus“ aus dem „Ägypten der Sünde“. Paulus stellt in Gal. 5, 19-21 den Werken des Fleisches die Früchte des Geistes ( 22ff) entgegen. Was fehlt davon in unserem Leben? - Buße tun für die Sünde:
Gott kann in uns kein demütiges Herz schaffen. Dafür braucht er unser Ja. Buße heißt in diesem Zusammenhang nicht Selbstzerknirschung, sondern: Erhobenen Hauptes Verantwortung übernehmen! Schuld ist nicht der/die Partner/in, die Gesellschaft, die Kirche, sondern ich selbst. Bitten wir Gott um Barmherzigkeit (PP. Franziskus)! - Mit der Sünde brechen (1.Petr. 4, 1-3):
Eine Entscheidung treffen und nicht länger vor sich herschieben. Wir sind nicht perfekt und sollen es auch nicht werden. Jeder von uns ist individuell in seinen Gewohnheiten, Beziehungen, in Liebe oder Hass (Röm. 13, 11-14). - Den Sündenkörper zerstören (Röm. 6):
Jesus hat den sündhaften Leib zerstört, alle Sünde dieser Welt. Sünde können wir zwar begehen, aber nicht tilgen. Darum sprechen wir vom „Sakrament der Versöhnung“. Luther hat eine wunderbare Meinung dazu: Schau nicht auf deine Umkehr, sondern schaue auf das Wort, auf die Kraft Gottes. Glaub nicht an dein Schuldgefühl! Beichtgespräche sind auch in der evangelischen Kirche keinesfalls abgeschafft (wenn auch wenig üblich, vgl. EGB 792-802!)). In der Freikirche des Mülheimer Verbands spielt die Beichtpraxis (und auch Krankensalbung) eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Immer wieder betont Cantalamessa fast beschwörend: „Wie kann diese Lehre die ökumenischen Beziehungen verändern! – wenn wir außer Acht lassen, was der Geist Jesu in den anderen Konfessionen schafft. Wir sollten uns darüber freuen: Gesegnet ist der Diener des Herrn, der sich an dem Guten freut, was der Herr in den anderen Gemeinschaften tut. Machen wir uns die Worte des Apostels Paulus zu eigen: Ich suche nicht meine eigene Ehre (Gal. 1, 10) – wir sollten dies oft sprechen, wie ein Gebet!“
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