Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen!
(Joh. 6, 37)
Mit der ökumenischen Jahreslosung geht’s ins neue Jahr 2022! In der Sonntagspredigt vom 2. Januar erfahre ich, dass die Losung vor drei Jahren gezogen wurde, im Frühjahr 2019. Da war von Corona noch nichts in Sicht. Dass die Jahreslosung 2022 unsere Beziehungs-Szenerien und Zugangs-Vorschriften derart aktuell unter die Lupe nimmt und auf ihre Basis stellt, ist bestimmt kein Zufall. Wir können das spiegeln, was Jesus hier über seine Art der Beziehungspflege sagt!
Zu unserem Neujahrs-Ritual zu Hause gehört zuerst der Gottesdienst im ZDF aus der [Dresdner Frauenkirche] mit meiner Lieblingspastorin Angelika Behnke. Heute hat sie in der Liturgie die Moderatorinnen-Rolle, kurz und bündig führt sie durch den Ablauf. (So etwas haben wir in meiner früheren Gemeinde zu den ungewöhnlichen Gottesdiensten des österlichen Triduums – Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht – auch gemacht. Das kath. Messbuch sieht diese Aufgabe ausdrücklich vor, eingesetzt wird sie selten. Es erleichtert eher Liturgiefremden den Zugang sehr!). Die Predigt ihres Kollegen Markus Engelhardt dreht sich um den Doppelaspekt der Jahreslosung „zu Jesus kommen“, also Schritte zurücklegen, mit dem ersten Schritt anfangen, und: „alle sind willkommen“. Wie zugewandt bin ich? Wie gehe ich damit um, wenn es kritisch wird: Migranten? Querdenker? Anders- oder überhaupt nicht Gläubige? Politische oder sonstige Gegner? Ich denke, hier muss man wie überall in der Postmoderne, differenzieren, und wir Alten können es noch lernen: Mit meinem politischen Gegner mag ich diskutieren, seine Community muss ich deswegen noch lange nicht mögen. Meine Überzeugung, auf der besseren Seite zu stehen: Für Jesus, d.h. für Gerechtigkeit, Demokratie, Solidarität, Pressefreiheit, Verantwortungsbereitschaft, kurz: für Glaube, Hoffnung, Liebe, muss noch lange nicht bedeuten, hochmütig auf jemanden hinabzusehen, ihn oder sie vorzuführen oder verächtlich zu machen. Verletzen schon gar nicht! Da muss auch ich wenigstens sprachlich immer wieder abrüsten! Drei frisch getaufte Dresdner/innen erzählen, wie sie zum Glaubenskurs gekommen sind und zur Gemeinde gefunden haben.
Danach kommt bis Mittag auf demselben Kanal das Neujahrskonzert der Wiener Phiharmoniker – immer wieder ein Genuss, auch wegen der ausgezeichneten Moderation und den Pausen- und den zur Musik aufgenommenen Tanz- oder Reit-Clips.
Mittags mache ich eine kleine Neujahrs-Radtour, 14 km z. T. durch die umliegenden kleinen Wälder. Für ein [Faltrad mit 20 Zoll-Reifen] sind matschige Wege nichts. Erstaunlich, wie viele Leute zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind! Soviel zum Thema „Die Regierung sperrt uns ein“.
Am späten Nachmittag dann der traditionelle ökumenische Start ins neue Jahr mit dem lutherischen Regional- und dem katholischen Diözesanbischof. Diesmal wieder seitens der ev,-luth. Marienkirche , aber wegen des coronagefälligeren Raumvolumens und des [Youtube-Channels] aus dem Osnabrücker St. Petrus-Dom. Bischof Franz-Josef Bode predigt ebenfalls über die Jahreslosung. Für ihn ist es wichtig, dass sie aus der „Brotrede“ des Johannes-Evangeliums kommt. Und so hebt er die Gemeinschaft mit Jesus in der Eucharistie/Abendmahl hervor. Ich weiß, dass sie besonders während seiner schweren Erkrankung (vor Corona) eine Hilfe war, die ihn mental und spirituell „über Wasser gehalten“ hat. Bode predigt politischer als heute morgen Engelhardt in Dresden. Neben den Schlüsselwörtern Migranten und Corona kommt dann noch unser multikonfessioneller Umgang miteinander als Kirche, besonders die Reizthemen Taufe und Abendmahl, und der Blick in die römisch-deutsche Version der weltweiten Kirche Gottes zur Sprache. Wen weisen wir ab? Theologisch anders Denkende? Frauen? Homosexuelle? Bodes Positionen in der innerkonfessionellen Diskussion sind hier bekannt, und er wird wegen seiner Bedachtsamkeit darin von den Meisten sehr geschätzt. Er ist stockheiser, und zu Beginn tut er seine eigenen Bedenken kund: „Es könnte einem so vorkommen, als hätten mir die Ereignisse des Jahres 2021 die Sprache verschlagen“ – Osnabrücker wissen, warum. Aber er hält sich wacker und bringt die Predigt auch zu Ende – man muss halt genauer zuhören. Die Orgelmusik des evangelischen Nachbarkantors (Auszüge aus Mendelsohns 4. Orgelsonate B-Dur und die liturgischen Stücke, bei denen wir unter unseren FFP2-Masken zu singen versuchen) genieße ich: Ich habe sie ja nur noch selten…
Draußen verteile ich Flyer für die kommende weltweite [Gebetswoche der Evangelischen Allianz]. So viel wie letztes Jahr werde ich nicht los, aus welchen Gründen auch immer. Die Feiergemeinschaft war deutlich im Alter von 60 plus, von denen etliche wussten, dass es jedes Jahr eine Allianz-Gebetswoche gibt. Aber die wenigen Jüngeren kannten dieses Projekt anscheinend gar nicht mehr. Gut, dass am Freitagabend die Jugend im Fokus steht und auch selber einen Zoom-Pray-Evening gestaltet. Aber eine missionarische Außenwirkung haben die Aktionen der Evangelischen Allianz kaum. Die Teilnehmer/innen kommen zum größten Teil aus ihren eigenen Gemeinden. Gäste sind leider selten. Zu wenig Outreach, viel zu wenig Kooperation – die Gründe sind vielfältig.
Umso mehr brauchen wir 2022 Hoffnung, Zuversicht und Mut – und den Glauben, dass Gott sich für jeden und jede von uns interessiert – ganz persönlich, sozusagen von Mensch zu Mensch! Dann kann auch aus unseren Communities in jeglicher Hinsicht etwas besseres werden. Wir sind doch Teil dieses Universums, in dem Gottes Reich bereits angebrochen ist! (Lk. 17, 21)
Im [Metaverse eines Mark Zuckerberg und anderer] gibt es keine Liebe, keine Gerechtigkeit Gottes und keine Versöhnung, geschweige denn Demokratie oder Gewaltenteilung. Da herrscht nur der Tanz ums Goldene Kalb mit seinem respektlosen Machtstreben, mit Konsumsucht und Promi-Geilheit. Waren das nicht die drei Versuchungen Jesu nach seiner Taufe im Jordan? Bist Du auch schon im Metaverse registriert und hast alle Deine Körper-, Aufenthalts- und Kaufdaten preisgegeben oder lässt sie bedenkenlos scannen? Dein Geld (Konto oder Bitcoin) wird dann das Nächste sein, und Deine Seele wird man Dir auch noch abkaufen. [Funcity] ist kein Computerspiel mehr, sondern bitterer Ernst. Kirche kommt darin auch gar nicht mehr vor.
Das „Charisma der [Unterscheidung der Geister]“ werden wir alle in Zukunft sehr nötig haben. Wem glaube ich? Mit wem mache ich Schulterschluss? Marschiere ich hinter Parolen her, oder trete ich ganz [neue Trampelpfade] frei, auf denen meine Mitmenschen neue Horizonte entdecken können? Welches bürgerschaftliche Engagement habe ich beizubringen? Wem kann ich mit meinen Fähigkeiten (Soft- und Hard-Skills) helfen? „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“, sagt Jesus. Er sagt es Dir und mir. Jesu Worte und Taten sind unsere Basics, die Basics aller Kirchen, auch 2022 und danach.
(Beitragsbild: Flüchtlinge an unserer Ostgrenze „ … weil kein Platz für sie war.“ APA/Wojtek Radwanski)