Ich gehöre zu den „unverbesserlichen“ Leuten, die an die [Transformationskompetenz der Kirche] glauben und unaufschiebbare Innovationen aktiv mitgestalten. Die prekäre Situation des deutschen Katholizismus führt allerdings dazu, dass dies eher außerhalb der römischen Version der weltweiten Kirche Gottes möglich ist. Letzten Sonntag haben wir für unsere evangelikal-charismatische Gemeinde zwei Gemeindereferenten berufen (Ehepaar je 50%). Alle hatten die Möglichkeit, ihr Votum abzugeben. Verhältnisse, von denen man als Katholik nur träumen kann – und ein Personalschlüssel, der nicht weniger traumhaft ist (drei Hauptamtliche bei gut 150 Gemeindemitgliedern). Das heißt nicht, dass unsere acht ehrenamtlichen, aber zertifizierten Seelsorger/innen (Ignis) nun arbeitslos würden – ganz im Gegenteil!. Die [Fragmentierung einer ganzen Gemeinde in Zweier- und Dreierschaften] (Mt. 18, 20, also „sakramental“!) als Antwort auf die Corona-Pandemie macht die spirituelle und unternehmerische Begleitung umso bedeutungsvoller, gerade im Bereich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Dass eine hierarchische Ämterstruktur durchaus entbehrlich ist, das haben die deutschen Bischöfe mit ihrem liturgisch-katechetischen Lockdown ja nun selbst in die Wege geleitet. Auf die Frage nach der Zukunft des Glaubens nach Corona hat die aktuelle römische Instruktion zum Pfarreien-Management nur die Antworten einer Kirche des 19. Jahrhunderts. Neuer missionarischer Wein soll wieder einmal in die alten Schläuche gefüllt werden. Das geht laut Jesus Christus daneben (Mk. 2, 22). Sehr schade, dass der missionarische Impetus der Instruktion gar nicht angemessen aufgegriffen werden kann, weil die Grundlage dafür, die Enzyklika „Evangelii Gaudium“, von den meisten Pastoralteamern in Deutschland weder gelesen, noch in Pastoralpläne umgesetzt wurde. Wertvolle Zeit und ein teurer „Dialog-Prozess” mit wirkungslosen Verlautbarungen wurden vertan. Nicht umsonst wird die „Regierungserklärung“ von PP. Franziskus an vielen Stellen der Instruktion zitiert. Alle sind „Träger der Evangelisierung“, der Hauptidentität der Kirche überhaupt und damit auch der katholischen Version. Zuwenig wird der Dienstcharakter des Amtes hervorgehoben – das Hauptthema der Klerikalismus-Kritik des Bischofs von Rom, jedenfalls bisher…
Stattdessen unterschreibt er nun den alten Machtanspruch von Klerikern. Von dieser „Quadratur des Kreises“ bin ich persönlich mehr als enttäuscht. Unglaublich, was eine Gruppe konservativer und unzufriedener Pfarrer aus dem Bistum Trier hier an Lobbyarbeit in der Kurie zustande gebracht hat! Selbstverständlich muss der Inhaber eines Dienstamts kontrolliert werden, und zwar unter Beteiligung derjenigen, denen er zum Dienst verfügbar sein soll (und externer Kuratoren). Etwas anderes kann die Kirche postmodernen Menschen doch gar nicht mehr plausibel machen! Missbräuchliche Strukturen gehören abgeschafft, auch wenn es dem Bischof von Köln und seiner Seilschaft nicht gefällt.
Ein großflächiges Aussteigen von Pfarrgemeinderäten- und Kirchenvorständen wird es nach meiner Einschätzung nun jedoch nicht geben. Im kath. Milieu ist man geübt im Aussitzen von Problemen. Neugewinnung von Mitarbeiter/inne/n wird allerdings schon schwieriger werden. Inwieweit die Instruktion das Preußen-Konkordat für Kirchenvorstände und die Bistumssatzungen für Pfarrgemeinderäte (Osnabrück: „Der PGR hat Anteil an der Leitung der Pfarrei.“) konterkariert, sei außerdem dahingestellt. Die Rahmenbedingungen für Ehrenamt in der deutschen katholischen Pfarreienlandschaft sind weiterhin unannehmbar. Die Glaubwürdigkeit eines [„synodalen Weges“] ist für mich gänzlich dahin.
Der globale Lockdown hat uns unwiederbringlich gezeigt: Die globale Legitimation für Gemeinschaften des Glaubens (egal wie groß sie sind) besteht in der Diakonie (Mt. 25)! „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ (François Gaillot, Bischof des Internetbistums Parthenia). Das hat auch Konsequenzen für mein persönliches Engagement der nächsten Jahre. Wieder eine Richtungsweisung auf meinem Bekehrungsweg. Bürgerschaftliche Aufgaben gibt es genug.