ECHT! 2024

ECHT! 2024

Die jährliche Mitarbeitenden-Konferenz des Mülheimer Verbands kann nur an Gemeindeorten stattfinden, die mehrere 100 Teilnehmende bewältigen kann. Daher pendelt sie meistens zwischen Ellmendingen und Bremen. Der „Probelauf“ 2016 war noch in Mülheim, und ich war [bisher auf allen ECHT!s dabei]! Vom 26.–28. April 2024 ging’s wieder nach Bremen, und ich habe zum 2. Mal eine [Pedalpilgertour] zur Paulus-Gemeinde unternommen: Ab Bf. Goldenstedt (RB 58 von Osnabrück über Vechta) auf dem nordwestlichen Teil des „Brückenradwegs“ durch Niedersachsens größtes zusammenhängendes Waldgebiet (Harpstedter Forst) auf der Wildeshauser Geest.

Auf der „Ozeanbrücke“ über den Delme-Sumpf.

Als Helfer für die Früh(stücks)schicht hatte ich mich auch wieder gemeldet – die Attraktivität dieser Dienstcrew ist erfahrungsgemäß etwas begrenzt… Einen Schlafplatz gab es diesmal beim Bezirksältesten des MV, einer der Pastoren der Bremer Paulus-Gemeinde. (Danke nochmal!)

So hatte ich also noch genug Zeit, die Sessions und [Seminare] wahrzunehmen, wobei ich mehr und mehr die Workshops bevorzuge, weil in kleinen Gruppen Gespräche und Erfahrungsaustausch miteinander einfach besser klappen. Zudem war als Gastredner Johnny Nimmo mit Team aus Marburg eingeplant, der zwar Spezialist für Erfahrungen mit dem Heiligen Geist ist, sich aber daher mit Themenvorgaben für die Sessions und Seminare sehr bedeckt hielt. Das Vorbereitungsteam wollte wieder etwas mehr Anschluss an die charismatischen Pionierzeiten des MV um 1905 („Mülheimer Erweckung“) gewinnen – was ich eigentlich immer gut finde („back to the roots”), und angesichts der Entwicklung der DNA des MV auch nötig, denn von der „Taufe im Hl. Geist“ von Jonathan Paul, einer der Väter der Pfingstbewegung in Deutschland, ist nur noch eine Fußnote in der DNA-Broschüre des MV übrig geblieben (auf S. 19). [Bei einer meiner „O.E.L.-Wochen“] hatte ich mich ausführlich mit dem Buch von Jonathan Paul aus dem Jahr 1895 beschäftigt und darüber gebloggt. Johnny Nimmo war auch schon einmal Gast in meiner Gemeinde, sodass mir seine Art und Weise nicht ganz fremd war.

Johnny wirbt für eine große, weitherzige Offenheit für den Geist Gottes und räumt dafür in seinen Sessions viel Zeit ein, in der – nichts – geschieht und Stille herrscht. Ich als Einzelner trete mit meinen Wünschen, Erwartungen und Gebeten an Gott ganzheitlich zurück und will Ihn wirken lassen. Soweit so gut, und das fällt mir auch nicht schwer. Für manche mag es auch als Mitarbeiter/in in der Pfingstbewegung dennoch ungewohnt sein, und so passierte das, was ich im Vorfeld schon vermutete: Einige der Zuhörer fielen in das „Ruhen im Geist“, ein charismatisches Phänomen, bei dem einem die Beine wegsacken, und die daher von Konferenzhelfenden aufgefangen werden (ja, das muss vorher organisiert sein!) und rücklings auf den Boden gelegt werden, wo sie eine zeitlang ohne waches Bewusstsein (aber nicht medizinisch bewusst-los!) einfach nur ruhen.

Ist hier der Heilige Geist am Werk? Hat Gott es nötig, so außergewöhnlich sinnfällig seine Gegenwart zu demonstrieren? Und warum gelingt es (nur) manchen Konferenzrednern, solche Zeichen der Hingabe zu bewirken? Stoßen hier rhetorische Geschicklichkeit auf einfache psychotische Erwartungen, die dann gestillt werden? Ist das Ganze eher Psychotechnik? Als Johnny vor Jahren in meiner Gemeinde war, passierte dasselbe. Sonst, im Gemeindealltag, erleben wir diese Phänomene eher nicht so. Sich im Gebet „lang zu machen“, kenne ich aus der liturgischen Tradition auch und habe es schon oft gemacht, ja, als bewusster (!) Akt der Hingabe in die Hände Gottes und als Frage nach Seinem Willen. Gerne bete ich dabei mein „Suscipe“, wie es die Benediktiner tun: „Nimm mich auf, Herr, Du hast es mir so eloquent verheißen, und ich werde leben! Und lass mich nicht konfus werden angesichts der Erwartungen, denen ich mich ausgesetzt sehe – und die ich selber hege.“ (Gerade als alter Mensch darf ich das…) Davor haut es mich aber nicht um, sondern ich liege mit Absicht, auf dem Bauch, die Hände unter der Stirn verschränkt. Und die geistliche Gewissheit, die mir dann geschenkt wird, lautet bisher immer: „Was hast Du über mich als dein Buddy gelesen? Blinde blicken auf und Krüppel gehen. Aussätzige werden rein und Taube hören. Tote werden erweckt und Armen wird die Heilsbotschaft gebracht. Und selig ist, wer sich nicht über mich ärgert!“ (Mt. 11, 5+6, nach Fr. Stier) Ich höre nichts über Sprachengebet, Ruhen im Geist, und andere interessante Sachen, sondern immer und immer wieder Diakonie, Nächstenliebe, Barmherzigkeit. Das ist Jesu Art, heute als Auferstandener zu leben und seinen Geist wirksam werden zu lassen. Und da will er mich haben! Kein Rückzug in ein frommes, spirituelles Ghetto, keine Engführung auf seltsame Phänomene.

Ich empfinde an diesem Morgen eine massive geistliche Enge und muss raus, frische Luft atmen und die Arme ausbreiten. Was hier gerade passiert, kommt mir sehr übergriffig vor, auch wenn die Akteure ruhig vorgehen und sich sehr bedächtig und freundlich verhalten. Draußen spielen die Kids in der Sandkiste, und ich geselle mich zu ihnen. Ist der heilige Geist Gottes nicht überall am Werk? Auch jetzt bei und in den Kindern, denen es durchaus schon gelingt, Vertrauen zu fassen, und die gerade so gar nichts „Frommes“ tun? Selbstverständlich verwehre ich es niemandem im Saal, sich dem lebendigen Gott auszusetzen, auszuliefern. Er allein weiß, wer es nötig hat, in Ihm zu ruhen! Ich tue es jetzt hier draußen, ich sitze, inmitten der fröhlichen, kleinen Menschen.

„Coppenrath Innovation Center“ im alten Doppelring-Lokschuppen

Für mich ist der Geist Gottes weniger phänomenell, sondern eher ziemlich handfest. Und das durfte ich bei den weiteren Sessions erleben. Meine Frage, was ich angesichts zunehmenden Alters und spürbar langsamerer Action für das Reich Gottes tun kann, und angesichts des Gefühls, insgesamt kürzer treten zu sollen, welche Entschlüsse jetzt zu fassen sind, nahm eine überraschende Wende, die ich so nicht habe kommen sehen. Ich fand mich in einer Gruppe vor, in der es, wie ich dann merkte, um Start-Ups gehen sollte. Nun muss ich nicht eine neue Gemeinde gründen – das tun in Osnabrück schon andere eifrig. Aber eine Idee hatte ich schon, nicht mehr und nicht weniger: In einem Stadtviertel, das auf dem [einstigen Güterbahnhofsgelände] noch gebaut werden soll, und in dessen „Think-Tank“ schon gearbeitet wird (Coppenrath Innovation Center, der [ehem. Lokschuppen]), könnte es doch Gott gefallen, Menschen mitten im Business anzusprechen, so wie er es immer gerne gemacht hat: Mose, David, die Fischer am See Genezareth… Ein „Prayer-Space“?

Johnnys Frau Jana arbeitet an [Schulen mit „Prayer-Spaces“], wie ich wusste, und ich musste einige Energie aufbringen, um sie zu einem Gespräch darüber zu bewegen… Sie war nicht sonderlich „amused“, das Schulprojekt jetzt mit demselben Namen in einem anderen Kontext angewendet zu sehen. Wobei ich (noch) gar keine Strategie habe, die ich den Verantwortlichen für das C.I.C. oder den Stadtteilprojektlern präsentieren könnte. Aber es kamen bei dieser ECHT! ungeplant mehrere Menschen auf mich zu, die meinten, für mich und mit mir beten zu sollen, ohne mich und meine Idee zu kennen. Das führte dazu, dass ich mich aufgehoben fühlte in dem, was Gott mit seiner Kirche, in Osnabrück, und dann eben auch mit mir in nächster Zukunft vorhat.

Fazit: Dran bleiben! Weiter wahrnehmen, sehen, hören, auf Menschen zugehen, mich ansprechen zu lassen in dem Aufgabenbereich, der sich mir neu auftut. Das eine wird eine stärkere Konzentration aufs Gemeindeleben sein, das andere, dass wir als Gemeinde ausgesandt sind in unsere Stadt. Dafür werde ich einige bisherige Engagements aufgeben (müssen).

Unter „Prayer-Space“ verstehe ich nicht irgendwie eine Kapelle oder eine Andachtsecke, sondern vielmehr ein Zeitfenster (eine [Gemeinde in Aachen] heißt so…), in dem schlicht und einfach und ohne Aufwand gebetet wird, mitten im Business, also vielleicht mittags oder nach Feierabend oder als Unterbrechung in der Arbeitszeit (so wie es die Benediktiner alle zwei Stunden machen – also einmal am Tag natürlich, und vielleicht erstmal wöchentlich). Es braucht dafür nicht mehr als eine Gesprächsecke, einen Konferenztisch oder sonst eine Möglichkeit, sich akustisch günstig zu treffen. Und es braucht (auch externe) Menschen, die das möchten und ihre Zeit dafür zur Verfügung stellen – wahrscheinlich sogar noch, bevor der Rahmen administriert wird. Beziehungen zu stiften ist einer der Hauptaufgaben, wenn es um den Glauben geht. „Gemeinschaft mit Gott und untereinander“ (das lernen eigentlich schon Kommunionkinder, leider wird die Sache mit Gott kaum weiter ins Erwachsenenleben entwickelt). Und unter Beten verstehe ich einfaches, freies, vernehmbares Reden mit Gott, ganz unliturgisch. Gottes Part dabei ist ein Bibeltext, der gelesen und gehört wird, und um dessen Verständnis wir uns dann bemühen. So in etwa, wie es die [„Kleinen christlichen Gemeinschaften”] in Südafrika schon lange in bewährter Weise praktizieren („Bibelteilen“, aber nicht als starre Methode).

Im Grunde habe ich jetzt schon die Frage beantwortet, die ich in meinen Blogs über Konferenzen immer stelle:
Was nehme ich mit nach Hause?

Das Reich Gottes kommt nicht durch Kirchen, die mit Menschen gefüllt sind, sondern die von Gott erfüllt sind!

Klar waren es auch die Anregungen aus den Seminaren bzw. Workshops. Ich habe drei mitgemacht:
1. Gemeinde mit einer Mission – Aspekte einer missionalen Gemeindekultur
„Evangelisation/Mission ist das zentrale Anliegen Gottes selbst und wird, richtig verstanden, ganzheitlich gelebt. Darum wollen wir Gemeinden sehen, die nicht nur einzelne evangelistische Aktionen machen, sondern eine missionale Kultur leben. Ihre Menschen sind Botschafter der Liebe Gottes jeden Tag, mitten im Leben, ganz natürlich, durch ihr Vorbild, Wort und Tat – und das da, wo die Menschen leben.“ Mit Pastor em. und Gemeindeberater Hans-Peter Pache, Berlin. Ein ähnliches Seminar habe ich [schon bei der vorigen ECHT!23] mitgemacht, und das hat mein traditionelles Gemeindeverständnis völlig über den Haufen geworfen.

2. Geistliche Vaterschaft und Mutterschaft leben: Ein Schlüssel für eine starke neue Generation in deiner Gemeinde!
Die heranwachsende Generation ist mit vielen neuen Herausforderungen konfrontiert, die sie nicht allein meistern können. Sie brauchen geistliche Väter und Mütter, die an ihre Seite kommen und sie ermutigen, stärken, für sie beten, ihnen zuhören und sie segnen. In dem Seminar wollen wir uns anschauen, wie das praktisch aussehen kann. Wie wirst du zu einem geistlichen Vater bzw. einer geistlichen Mutter in deinem Umfeld? Wie kannst du eine neue Generation von Nachfolgern prägen? Mit Claus Schröder, Pastor in Berlin. Dazu pflege ich einen persönlichen Bezug, indem ich [bei den MV-Jugendkonferenzen auch als Helfer] mitmache.

Im linken Bereich (vom Portal aus gesehen) unter Bank Nr. 25.

3. Stadtrundgang durch Bremens City
als kurzweiligen und humorvollen Ersatz für einen Seminarausfall, mit Ingo Bröckel, Pastor in der gastgebenden Bremer Paulus-Gemeinde. Im Dom durfte ich davon erzählen, was mich (Bernd-Ansgar!) mit St. Ansgar verbindet, dem „Apostel des Nordens“ und erstem Erzbischof von Hamburg. Nach dessen Zerstörung durch die Wikinger war der Bischofssitz bis zur Reformation in Bremen, aber bis 1806 gab es in Hamburg eine Domkirche (neben St. Petri) und ein gemischtkonfessionelles Domkapitel, und die waren exterritorial, d.h. gehörten nicht zum Hamburgischen Staatsgebiet. Das Grab Ansgars („Speer Gottes“, engl. Oscar) im Bremer Dom wird unter der Bank Nr. 25 vermutet. Daher ist eine Visite in der Paulus-Gemeinde für mich möglichst immer auch mit einer kleinen „Wallfahrt“ zum, und einer Gebetszeit im Bremer Dom verbunden.

Brückenradweg Nord

Auf dem Rückweg per Rad über den nordöstlichen Teil des Brückenradwegs blies mir geradezu sinnbildlich der Gegenwind sosehr ins Gesicht, dass ich meine bis Bf. Barnstorf geplante Tour in Bassum abbrechen musste, um noch bis abends nach Hause kommen zu können. Es ist also nötig, evtl. auch umdisponieren zu können, um mit Widerständen fertig zu werden. Entscheidend ist ja, das Ziel zu erreichen – wenn auch manchmal anders, als wir es uns gewünscht haben! So hat auch das Hobby Radfahren seine spirituelle Ebene, um Eindrücke zu verarbeiten und neuen Mut zu fassen. Voriges Jahr hatte ich noch kurz vor der Heimkehr aus Ellmendingen auf dem Hauptbahnhof einen Unfall, der mir einen [dreimonatigen Boxenstopp] bescherte. Davon blieb ich diesmal, Gott sei Dank, verschont.

 

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