Mit dieser Meinung zu den Reformbemühungen vor allem der römischen Kirche bin ich nicht allein. Frauenweihe und Priesterehe sind nur ein Herumkurieren an Symptomen und würden eine gigantische Re-Klerikalisierung zur Folge haben. Ich stelle das Weihepriestertum generall in Frage. Denn es ist keinesfalls gottgewollt, sondern historisch gewachsen. Es läuft in seiner Verquickung mit politischer Macht seit der konstantinischen Wende zur Staatskirche und spätestens seit dem karolingischen Eigenkirchenwesen dem Grundauftrag einer christlichen Kirche entgegen.
Die Priorin der Kölner Benediktinerinnen, Sr. Emmanuela Kohlhaas, zieht in ihrem Buch „Die neue Kunst des Leitens“ ein entsprechendes Fazit:
Die gegenwärtige Struktur hierarchisch-absolutistischer Art empfinde ich als nicht adäquat, wobei der Benediktiner-Orden ja älter ist als diese absolutistischen Modelle. So gesehen wird das Gestrige dann überholt von etwas, was eigentlich noch gestriger ist. Der Benediktinerorden ist in der Spätantike entstanden in einer Zeit, in der es für die damaligen Verhältnisse Demokratie gab. Und in unserer Regel steht zum Beispiel, dass alle gehört werden sollen, wenn es um eine Entscheidung geht, weil Gott oft einem Jüngeren eingibt, was das Bessere ist. Ich glaube, da kann die Kirche von den Orden eine Menge lernen.
Den Grundauftrag aller Kirchen neu zu entdecken, nämlich zu evangelisieren, spielt bei den Diskussionen synodaler Wege nur eine untergeordnete Rolle. Evangelisieren heißt auch nicht: Anpassung an den Zeitgeist. Bei Kirchenreformation muss es um den Glauben gehen. Um seine Substanz. Die gründet sich auf Mt. 18, 20 und ist nicht abhängig von einer Amtsauffassung, die aus dem Mittelalter stammt, unübersehbar in den Liturgien konserviert. Der Kern des Christseins ist auch nicht katholisch oder evangelisch od:er orthodox oder sonst irgendwie konfessionell. Der Kern des Christseins ist eine Person, die eine Beziehung zu mir aufnehmen möchte: Jesus Christus. Die Jahreslosung 2022 trifft den Nagel auf den Kopf!
Die römische Kirche braucht auch nicht neue Ämter für Frauen neben dem männlichen Weihepriestertum, was sich als Kompromisslösung abzeichnet. Die weltweite Kirche Gottes braucht immer wieder ganz neue Dienste, um in jeder Zeitepoche glaubwürdig zu sein. „Lean Management“, Teamgeist, transparente Entscheidungen, geschwisterliche Kommunikation auf Augenhöhe sind Bestandteile zukunftsfähiger Strukturen. Zum Glück gibt es Kirchen, die gerade das umzusetzen versuchen. Auch bei uns.
Das lesenswerte Interview von Domradio Köln mit Sr. Emmanuela Kohlhaas kann man sich [hier herunterladen], bevor es im Radioarchiv nicht mehr erhältlich sein sollte.
Beitragsbild: [Zukunftsforum] der Evangelischen Allianz 2019 in Hannover