Eigentlich sind es ja vier: Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostern. Der Karsamstag als der „Tag der Grabesruhe Christi“ zählt nicht. Fans der katholischen Liturgie mit ihren aus dem üblichen Rahmen fallenden Riten dieser Tage sehen die Abendmahlsfeier des Gründonnerstagabends, den Karfreitagsgottesdienst zur Todesstunde Jesu um 15 Uhr mit seinen eindrucksvollen Handlungen und die lange Osternacht als einen einzigen Gottesdienst in drei Stationen.
Nach einem Jahr Abstinenz wegen meines Engagements im [Ostergarten] 2015 erlebe ich, nun wieder als Domchorsänger, die Liturgien anders als sonst. Nach der Ostergarten-Erfahrung bin ich durchaus „näher dran“, berühren mich die biblischen Berichte viel intensiver. Dennoch markieren die Gewandungen, die rituellen Handlungen, das „Schauspiel um die Gegenwart Gottes im Hier und Jetzt“ eine merkwürdige Distanz, die für mich nicht „Respekt vor dem Heiligen“, Alternative zur „Banalität des Alltags“ beinhaltet, sondern die ich als negativ empfinde: Ich sehe mich vom Heiligen getrennt, das (oder besser „der“!) Heilige wird mir vorenthalten. Ich komme nicht ran… Und dabei will „er“ doch gerade in meinen Alltag hinein, oder?
Die Fußwaschung des Bischofs an Frauen und Männern aller Altersstufen und aus allen sozialen Schichten (auch eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien ist dabei) hat zweifellos ihre Botschaft. Ich frage mich, wo in meinem Alltag ich mich so verhalte. „Wer bei Jesus Karriere machen will, muss Füße waschen“, diesen Satz aus meiner Ostergartenzeit vergesse ich nicht. Ob das „liturgische Spiel“ in seiner Tiefe verstanden wird? Der Unterschied zu PP. Franziskus besteht darin, dass dieser kein liturgisches Schauspiel im Petersdom inszeniert, sondern in soziale Brennpunkte geht und dort Zeichen setzt – im Flüchtlingslager, im Jugendgefängnis, Barmherzigkeit mitten in den Alltag hinein. Den Berichten zufolge zeigen sich Viele davon ganz persönlich berührt. Das ist eine andere Ebene als die Meinung, der Bischof habe „es ja mal wieder ganz gut gemacht“. Ob sich die Teilnehmer auch von seiner Predigt angesprochen fühlen? Die war wirklich gut: herausfordernd, werbend für Gebet und Anbetung, Einladung, die Gegenwart Gottes im Alltag neu zu entdecken, Täter unserer Worte zu werden – so wie es die vielen Flüchtlingshelfer machen, ob Christ oder nicht.
Es nützt nichts, die leer gewordenen Schläuche kirchlicher Traditionen wieder mit der Frömmigkeit von gestern zu füllen. Der neue Wein menschlicher Sehnsucht nach Sinn und Angenommensein gehört in neue Schläuche. Die gibt es schon. Wir müssen es nur zusammenbringen. Voneinander lernen. Das durfte ich in diesem Jahr bei vielen Gelegenheiten schon erleben. Die Kraft der Auferstehung. Das Feuer des Heiligen Geistes. Gott selbst in Aktion, 2016 Jahre nach dem ersten Ostern. Der Gekreuzigte lebt! Hier und jetzt. Ich erfahre ihn direkt, durch meine Brüder und Schwestern, in denen er wohnt. Die mich berühren. Die hörbar mit mir und manchmal auch für mich beten. Die Liturgie sieht so etwas nicht vor, und wo es einst üblich war, bleibt heute angeblich keine Zeit, es wieder zu tun. Eine Liturgie entleerter Formeln vermisse ich nicht. Zum Auferstehen geht der Gekreuzigte nicht ins Museum.