Adieu Altar und Ambo

Adieu Altar und Ambo

Gestern war ich nach langer Home-Church-Pause, Ferien und Quarantäne das erste Mal wieder regulär im Gottesdienst meiner Kirche, und es hat mich weder frustriert, noch depressiv gemacht! Ganz im Gegenteil: Wie erhofft alltagstauglich, motivierend, neuen Elan bekommen, um die Unbilden des Alltags realistisch zu deuten und zu gestalten!

Will ich mich ergreifen lassen vom Interesse Gottes an mir, ergreife ich meinerseits sein Angebot und richte meine Initiative an seinen Wegzeichen aus? Und wenn ich erkläre, dass ich das will (in Gebet und Gesang, das vielleicht auch Umstehende hören): Richte ich dann mein Handeln in der Woche danach aus? Gott liebt es, Menschen in ihrem beruflichen Alltag zu treffen und zu berufen – weniger eigentlich  an traditionellen „heiligen“ Tagen oder Orten (Mose beim Schafehüten, die Apostel mitten im Job als Fischer).

Durch über ein Jahr „Home-Churching“, also Livestream-Gottesdienste ohne bzw. nur mit Gottesdienst-Helfer/innen (unsere Art, „Messdiener/in“ zu sein) hat sich unser Altarraum in eine Art „Wohnzimmer“ gewandelt (die „gute Stube der Gemeinde“, wie die Herrnhuter sagen). Wir haben uns vom Altar-Retabel, das noch an der Rückwand stand, und vom Ambo (Kanzel, Lesepult) verabschiedet, den letzten Relikten einer sakralen Raumausstattung. Nur das Kreuz an der Wand ist geblieben. Stattdessen gibt es jetzt bei Bedarf Sofa und Sitzmöbel für Interviews und Gespräche, einen Stehtisch und Barhocker für die Verkündigung. Gottesdienstleiter/in und Prediger/in haben bei uns noch nie Talare oder sonstige Gewänder getragen. Die Musik einer unserer Bands ist nicht nur eine schöne „Umrahmung“ (wie es oft in Zeitungsartikeln heißt), sondern ein integraler Bestandteil der Liturgie, den sie selbst gestalten und das Gebet auch anleiten. Die „Lobpreiszeit“ ist nichts anderes als ein etwas ausgedehnteres Gloria, das in christlichen Gottesdiensten ja nie untergegangen ist. Auch die Musiker/innen haben ihren Platz vorne „auf der Bühne“, wie wir ganz säkular sagen, und nicht etwa im Rücken oder unsichtbar auf einer Empore. Ich bin sehr froh darüber und der Gemeindeleitung dankbar, dass wir hier keine Museumspflege machen, sondern eine zeitgemäße Atmosphäre pflegen – wie seinerzeit in den Hauskirchen der frühen Christenheit auch!

Kirche 4.0 – ich bin einfach dankbar, dass ich das in meinem Alter erleben und mitgestalten darf. „Hierarchie 1.0“ ist in der römischen oder byzantinischen Version der weltweiten Kirche Gottes nicht die einzige oder schon gar nicht die einzig Wahre. Das kann gar nicht oft genug betont werden! Mit dogmatisch-konfessionellem Klein-Klein kann vertrauensvoller Glaube keinem postmodernen Menschen plausibel gemacht werden.

Wie aber dann? Z. B. mit einem Alphakurs, den wir im Hauskreis gerade angefangen haben und der uns bis kurz nach Ostern 2023 begleiten wird. Ein neuer Ansatz: Alpha als Glaubensvertiefung für Leute, die sich z.T. schon vor langer Zeit für den Glauben entschieden haben. Wir sind 10 im Alter von 55 bis 90 und nutzen als Impuls die Video-Talks, über die wir dann alle 14 Tage miteinander sprechen. Wie wir das im voraussichtlich kalten Winter machen werden, müssen wir noch sehen. Es ist – wie immer mit dem Glauben – ein Abenteuer!