„Wahrscheinlich bist du einer unserer ältesten Fans“, meinte Salvatore am Ende des „Wüstenheil“-Konzerts 2023 in Wuppertal und machte ein Selfie. Ja, ich mag Praise & Worship, besonders wenn es um Crossovers mit traditionellen Gesängen geht. Dabei bevorzuge ich gar nicht mal bestimmte Bands oder Stile (außer Johann Sebastian Bach…). [Alive Worship] hat mein Lieblingslied gecovert: „So will I“ von Hillsong Music aus Australien, wobei ich die Übertragung ins Deutsche besser gelungen finde, als das englische Original selbst. Das kommt selten vor! Allerdings treibt gerade Hillsong die Kommerzialisierung der Lobpreismusik sehr voran, auch mit ihren Gemeindegründungen. Es entstehen spirituelle Konzerne! Ob das im Sinne des Erfinders christlichen Glaubens ist? Meine Antwort ist ziemlich eindeutig… Das Thema wird mich bis zum Ende des Wochenendes noch weiter beschäftigen. Hier also erstmal das Video:
An die 1.000 Youngsterz waren in der [Credo-Kirche Wuppertal] zum regelmäßigen „X2C“-Gottesdienst zusammengekommen – diesmal eine Sonderform, denn „Eintritt“ kostet ein Gottesdienst normalerweise ja nicht. Predigt und Gebet gehörten daher zum Abend dazu.
Die „Erweckungspredigt“ vom Alive-Worship-Mitglied Christian hat in mir sehr gemischte Gefühle ausgelöst. Mussten die 1.000 erweckt werden? Ich denke, es waren überwiegend in ihren Gemeinden engagierte junge Leute, vielleicht der eine oder andere „von der Straße“ darunter, der noch nicht so viel mit dem Glauben zu tun hat. Die Predigtsprache sehr traditionell, mit vielen „churchies“, die Außenstehende nicht verstehen. Das „Wüsten“-Thema von Tour und neuer Musikproduktion nicht ohne spirituellen Reiz („Wüstenväter“). Aber dann doch suggestive Hinführung zum Übergabegebet, was ich in dieser jugendlichen Zielgruppe ausgesprochen übergriffig empfinde. „Man“ kann nicht eben mal „einfach so“ eine Entscheidung für Jesus treffen, bzw. neu treffen, schon gar nicht in der Anonymität einer Masse, weil in der Bibel halt die Wahrheit steht (und nirgendwo anders. Amen?) So etwas gehört pädagogisch in eine Kleingruppe bzw. Zweier- oder Dreierschaft! (Die Credokirche hat dafür sehr persönliche Formate in ihrem Portfolio.) So habe ich mich darauf konzentriert, intensiv für die beiden jungen Männer vor mir zu beten, ohne sie anzusprechen. Wenn wir Blickkontakt gehabt hätten, hätte ich ihnen ein ermutigendes Wort mitgegeben und ihnen den Info-Point der Credokirche angeboten. Aber diesen Kairos gab es nicht, und so habe ich mich zurückgehalten. Bei geistlichem Missbrauch bin ich sehr empfindlich.
Dass viele (sogar mit Mama und/oder Papa im Schlepptau) am Ende noch zahlreiche Selfies mit dem Prediger gemacht haben, finde ich reichlich personenkultig.
Am darauffolgenden Sonntag (danke für den Schlafplatz!) konnte ich die Credokirche dann etwas genauer kennenlernen. Sie ist eine „Multisite-Gemeinde“ mit einigen weiteren kleinen Standorten in der Umgebung, und einem in Helsinki. Als solche kooperieren die Pastoralteams sehr stark und tauschen sich auch personell aus, was ihnen einen erweiterten Horizont gibt. Der Gemeindeverbund gehört zum Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) – daher also auch der missionarische Impetus, der eignetlich zur DNA jeder Kirche gehört. Dass ich ihn in vielen Gemeinden vermisse, habe ich in diesem Blog ja nun zur Genüge angemerkt.
Allerdings finde ich die „erweckliche“ Machart für postmoderne Menschen nicht mehr angemessen, weil sie eher missverständlich ist, bis hin zu verstörender Wirkung (so jedenfalls die moderne Reaktion auf die Botschaft vom Kreuz: „Ich will gar nicht, dass jemand sein Leben für mich hingibt! Das möchte ich doch vermeiden! Und ich soll einem Gott vertrauen, der seinen Sohn ans Kreuz ausliefern lässt? Blüht mir das am Ende auch?“) Allgemein vorauszusetzen, dass die Sehnsucht, „in den Himmel zu kommen“ in jedem Menschen schlummert und es unsere Aufgabe ist, unser Umfeld vor der Verlorenheit zu bewahren, halte ich für einen unpädagogischen Ansatz (und findet sich so 1:1 auch im Islam). Ich möchte lieber einladen, zur Gemeinschaft mit Gott, weil Jesus jede/n schon längst dazu eingeladen hat, Freundschaft mit ihm zu schließen (Offb. 3, 20). Als „Kinder“ sind wir Hausgenossen Gottes, haben einen Hausschlüssel (Bekehrung), sind sogar Erben und geben es weiter, und Gott möchte eine WG mit uns haben. Das passiert schon hier (darum brauche ich eine Gemeinde), und ist mit dem irdischen Tod nicht zu Ende. So ungefähr möchte ich es vorleben, damit ich danach gefragt werde, welche unausrottbare Hoffnung mich erfüllt (1. Petr. 3, 15).
In der Großstadt ist ein „Glaubens- und Spiritualitäts-Konzern“ wie ihn die Credokirche darstellt, eine zielführende Form (eine! Es gibt auch [„fluide“ Gemeindemodelle], z.B. in Bremen). Beeindruckend die Professionaliät, die mich in Frei- und Pfingstkirchen immer wieder begeistert. Selbstverständlich müssen wir unternehmerisch an unseren Missionsauftrag herangehen! Die Kunst dabei ist, nicht aufgesetzt und damit unglaubwürdig zu sein, ein grundsätzliches Problem freikirchlicher Kommunikation. Vision, Strategie und Leitbild, Coaching, Evaluation und Teamplayer/innen sind die Bausteine der Evangelisierung. Architektinnen gestalten die Gemeindehäuser einladend und beziehungsfreundlich, ohne die Gerümpelecken und Stuhllager der 60-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Dass auch die Credokirche einen Gewerbecampus transformiert (ehem. Gardinenfabrik), stellt sie mitten in die Arbeitswelt. Gerade da gehört Kirche hin! Das Pastoralteam ist vorzugsweise nicht nur theologisch ausgebildet (ein gutes Format, für den Jesuitenorden von Anfang an konsequent), was der Verkündigung sehr zugute kommt.
Großen Raum nehmen in der Versammlungshalle die quer angeordnete Bühnentechnik mit mehreren Dolmetscherkabinen, ein abgetrennter Infobereich mit gesprächsfreundlicher Möblierung, das Begrüßungsteam und das Gemeindecafé ein, das u.a. einen hervorragenden Cappucino anbietet. Die ansprechenden Gruppenräume, die Kinderkirche und die „Chapel“ (mit Mitarbeiter- und Mitnehmbibliothek) sind im seperaten ehem. Verwaltungsgebäude untergebracht. Gepredigt hat an diesem Sonntag ein Pastor, der auch studierter Festkörperphysiker ist und eine IT-Firma betreibt und damit auch solche Charismen ins Gemeindeleben einbringt.
Das Grundkonzept der Credokirche finde ich auch in meiner Osnabrücker Gemeinde wieder, gerade jetzt nach Leitbildprozess und Renovierung der Räume. Aber der strukturelle Rahmen ist nur die eine Seite der Medaille. Er soll dazu dienen, Beziehungen zu stiften. Der „Raum für Gott“ muss ein Erlebnisraum sein, in dem Lebenserfahrungen miteinander ausgetauscht werden („Freude und Hoffnung, aber auch Trauer und Angst” (LG 1), Gutes und Schlechtes, Depression und Zuversicht, Zweifel und Glaube). In der Coronazeit haben wir gelernt, wie man das völlig ohne Technik auch open air beim Spaziergang macht, indem wir die Gemeinde in [2-er und 3-er-Schaften] zergliedert haben, die jede Woche einen online-Impuls zum Austausch und Gebet bekommen haben. Das hat uns viel mehr Follower beschert als die üblichen 70, die unsere Sonntagsgottesdienste mitfeiern. Die Kirche bleibt eine Baustelle – Gott sei Dank!
Wie es mir auch bei schlechtem Wetter gelingt, nach Wuppertal und zurück zu gelangen, habe ich [in meinem Mobilitätsblog beschrieben]. Ich bin gerne „unterwegs“, nicht nur in Glaubenssachen.
[Der Text von „Dann auch ich“ zum Herunterladen.],
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