Der Samstag vor Pfingsten führt schon seit einigen Jahren charismatisch bewegte Christen (vorwiegend Katholiken) aus dem Nordwesten in Bremen zusammen. Evangelisierung bedeutet, Menschen in die Freundschaft mit Jesus einzuladen und für den Weg der Nachfolge zu begeistern. Jesus selbst hat jeden von uns berufen, in alle Welt hinauszugehen, zur Jüngerschaft einzuladen und zu taufen. Das ist so wesentlich, dass es in der Theologie gemeinhin als Missions-„Befehl“ bezeichnet wird, und dass PP. Paul VI. in „Evangelii Nuntiandi“ schon 82 Nummern braucht, um es für heute zu übersetzen, und dass PP. Franziskus in „Evangelii Gaudium“ es in 288 Nummern weiter programmatisch ausdifferenziert, in seiner einfachen und gut zu lesenden Sprache.
So hieß das Motto unseres Regionaltreffens „Mehr als ein Fan – zum Jünger Jesu berufen“. Nach einem Lobpreisblock zu Beginn sahen wir uns ein Video (35 Min.) an, das exemplarisch aufzeigt, was mit einer ländlich geprägten kath. Gemeinde passiert, wenn nur einige wenige Gemeindemitglieder erlebt haben, was PP. Franziskus zwar beschreibt, aber konkret erstmal nur in einer benachbarten Freikirche vollzogen werden kann:
Leitfragen für unseren Vormittag: Was war Auslöser für die Erneuerung? Welche Elemente haben das Glaubensleben lebendig gemacht? Wo stehe ich jetzt? Wir tauschen uns in Kleingruppen darüber aus. Wir stellen fest, dass charismatische Erneuerung multikonfessionell ist, und gerade darum das Werk des Heiligen Geistes ist.
Ich habe mich ernsthaft gefragt, worin denn eigentlich die Unterschiede bestehen in dem, was im Video gezeigt wird, und in dem, was ich seit über einem Jahr in meiner evangelikal-charismatischen Freikirche praktiziert sehe. Es sind Lehrunterschiede, vor allem im Verständnis von Sakramentalität. Die ist im Mülheimer Verband nicht so ausgeprägt. Das heißt aber gleichzeitig, dass dessen „DNA“ durchaus offen ist für „katholische“ Anfragen und Differenzierungen. Ich erlebe dies überhaupt nicht konfessionell ausschließend. Und in der Praxis erlebe ich die dogmatischen Klippen als fast irrelevant, jedenfalls interessieren sich die Gottesdienst feiernden Mitglieder und Gäste in meiner Gemeinde kaum dafür. Besonders was die Auffassungen über das Wirken des Heiligen Geistes angeht, sind wir eines Sinnes. Jüngerschaft ist ein Aspekt davon:
- Jünger sein unterscheidet sich vom Fan sein durch die persönliche Bindung an Jesus Christus.
- Jüngerschaft ist Beziehung und nicht bloßes Fürwahrhalten einer Ideologie.
- Jüngerschaft erfordert Entschlussfreudigkeit, die nicht immer wieder aufgeschoben werden darf.
- Jüngerschaft gründet sich auf Vertrauen, freundschaftlich, familiär, sowohl mit Christus (Eph. 2, 19), als auch untereinander.
Konsequenzen: Jünger tun nichts anderes, als Jesus selbst. Mir fällt ein, dass ich mit dieser „Nagelprobe“ der Pastoral in meinem Volunteersjahr [schon einmal konfrontiert] war. Die Bibel berichtet zweimal davon: Lk. 10, 1-9 und Mk. 16, 17+18. Letztere Verse machen die Defizite unserer Gemeindearbeit deutlich, auch wenn man berücksichtigt, dass wir heute andere Zeiten haben. Die von PP. Franziskus angeregte Kehrtwende ist wirklich vonnöten, wollten wir nicht unsere Berufung verwässern oder gar verraten.
- Jünger sein heute macht die persönliche Berufung und das eigene Charismenprofil bewusst. Welche Kursformate, welche gottesdienstlichen Feiern bieten unsere Gemeinden hierfür an?
- Aufgabe der Jüngerschaft ist Mission bzw. Evangelisierung. Es gilt zu entdecken, wie dies in der jeweiligen Lebenssituation, im Beruf, in welchen unserer Beziehungsfelder und mit welchem Zeitfenster verwirklicht werden kann. Wie müssen Mega-Gemeinden strukturiert sein, um einen fruchtbaren Austausch über den Gesamtkomplex Bekehrung zu ermöglichen? Dabei wird die Entscheidungsfreiheit des anderen Ernst genommen. Mission überredet nicht, Evangelisation ist keine Gehirnwäsche.
- Jesus braucht „burning persons“! Er hat uns mit dem Feuer des Heiligen Geistes getauft, damit der Funke auch auf andere überspringen kann. Wie können Gemeinden anziehend für fragende Menschen werden? Wo kann man den Heiligen Geist erleben? Evangelium – gute Nachricht – frohe Botschaft hat etwas mit Lebensqualität zu tun, mit Freude, Evangelii „Gaudium“. Christen sind nicht besser als andere Menschen. Aber sie leben entspannter. Sie sind geerdet, haben festen Boden unter den Füßen. Da wo sie stehen, „ist heiliger Boden“ (2. Mos./Ex. 3, 16), da sollen Menschen die Gegenwart Gottes erfahren.
Die meisten beim „Tag des Heiligen Geistes“ in Bremen haben ein Leben-im-Geist-Seminar und auch Vertiefungskurse besucht. Sie haben sich als Erwachsene für ein Leben mit Jesus entschieden und dies auch vor Zeugen kundgetan, die direkt für sie unter Handauflegung gebetet haben. Es gibt nur wenig großkirchliche Gemeinden, in denen es Raum gibt für solch persönliche Formen der Tauf-, Firm- bzw. Konfirmations-Erneuerung. Jedoch in vielen Freikirchen, besonders pfingstlichen bzw. charismatischen, gehört es zum Standard. Es ist völlig unbefriedigend, dass in Deutschland immer noch in Sondergruppen und -gemeinschaften abgedrängt wird, was nach PP. Franziskus zum [Start einer pastoralen Kehrtwende] gehört. Der Charismatischen Erneuerung möchte ich zurufen: „Raus aus dem Schneckenhaus!“, und den pastoral Hauptveranwortlichen in den Gemeinden: „[Das Neue, das die Bischöfe wollen], soll charismatisch sein. Es ist schon da! Wollt Ihr es nicht?“
Wie ermutigend ist unser Segnungsgottesdienst, den wir miteinander feiern. Wir schöpfen Kraft aus dem geschwisterlichen Zuspruch durch den Heiligen Geist, der uns aus diesen Stunden „im Obergemach“ wieder hinausschickt in unseren je eigenen Alltag, um die Gegenwart Gottes heute in dieser Welt zu bezeugen! Das Pfingstfest geht ja noch über die [nächsten zwei Tage]…