Die beiden Gleise der einen Strecke

Die beiden Gleise der einen Strecke

Das Auswertungsgespräch dreht sich darum, die Prioritäten des Charismen-Seminars im Leben anzuwenden. Für Evangelisierungs-Strategien in der katholischen Stadtkirche ist, um es nicht wertend auszudrücken, „die Zeit noch nicht reif“. Erst sollen bis 2018 die 22 Pfarreien auf 6 fusioniert werden. Dass Evangelii Gaudium genau den umgekehrten „Weg für die kommenden Jahre“ (EG 1) gehen möchte und Strukturfragen sich einem Evangelisationsprozess („ab heute“! vgl. EG 3, 27 u.a.) unterzuordnen haben, wird nicht gesehen. Für Glaubenskurse hat es in den vergangenen Jahren nur im ev.-luth. Sprengel vom emeritierten Landessuperintendenten eine Initiative gegeben, mit ausgezeichnetem Material (das gibt es noch!), aber sehr mäßigem Erfolg vor Ort.

Wie wäre es, wenn ich das [„Jahr des Atemholens“] nicht im stillen Kämmerlein mit „Jammern auf hohem Niveau“ über die Innovationsresistenzen meiner Konfession verbringe, sondern als aktive Lernzeit gestalte in einer Gemeinde, in der Evangelisierung zum Leitsatz ihres Profils gehört? Gesprächspartner ist der Pastor dieser Gemeinde, und er ist nicht abgeneigt, so ein Projekt zu begleiten.

Aber noch etwas Entscheidendes wird in der Auswertung deutlich: Bisher habe ich immer geglaubt, dass ich mich zwischen bürgerschaftlichem und kirchlichem Engagement entscheiden müsste und dass meine Neigung [schon deutlich geworden] sei. Jetzt wird klar, dass Gemeindeentwicklung nicht ohne ihren gesellschaftlichen Kontext gelingen kann.

In den Freikirchen bricht sich eine neo-evangelikale Strömung Bahn, welche offensichtlich die anthropologische Wende in den großen Kirchen mit Riesenschritten aufholt, ohne aber die biblische Basis zu vernachlässigen („fundiert“, nicht fundamentalistisch!). Pastoren wie Tobias Faix und Johannes Reimer sind Protagonisten eines kontextsensitiven Gemeindeaufbaus. Mir kommt es so vor, als hätten sie „Zur Theologie der Welt“ von Joh. Bapt. Metz aus der Zeit unmittelbar nach dem 2. Vatikanischen Konzil gelesen und weiterentwickelt. Gerhard Lohfink „Wie hat Jesus Gemeinde gewollt“ aus dem Jahr 1982 taucht aber bei ihnen als Quelle auf. Mein Gesprächspartner empfiehlt mir die drei Bände der „Transformationsstudien“ aus dem Francke-Verlag Marburg „Die Welt umarmen“, „Die Welt verändern“ und „Die Welt verstehen“.

Evangelisierung und gesellschaftliches Engagement zur Verbesserung der Lebensqualität sind die zwei Gleise der Strecke in die Zukunft der Kirche – auch das entwickelt PP. Franziskus ja in seinem „Regierungsprogramm“. Die drei Bücher begleiten meine „Conversión“ in der nächsten Zeit. Der dritte Band, Untertitel „Kontextanalyse als Sehhilfe für die Gemeinde“ ist ein hervorragendes Methodenbuch mit vielen praktischen Tipps.

Ich werde also und kann zweigleisig fahren, alle bisherigen Indizien und mein Ausbildungsprofil sprechen dafür. Ich fange an, den „Chefs“, die meinen ursprünglichen Plan zur Gestaltung des (Un-)Ruhestands gecancelt sehen wollten, dankbar zu sein. Sie haben wohl nicht geahnt, wer in Wirklichkeit hinter ihrer Entscheidung stand…