Coaching, das hören die Beteiligten nicht ganz so gerne. „Geistliche Begleitung“ ist der Fachausdruck, mit dem bei uns ein Fachdienst bezeichnet wird, der seit einigen Jahren professionell geregelt ist und für den es eine spezielle Ausbildung gibt. Diesen [seelsorgerlichen Dienst] nehme ich schon lange gerne in Anspruch. Nun sind die [Standards neu zusammengefasst]. Für mich ist von den möglichen Eckpunkten ausschlaggebend:
- Nicht eine bestimmte Spiritualität steht im Vordergrund, sondern der Schatz vielfältiger geistlicher und ökumenischer Traditionen.
- Es geht um Hilfestellung für den individuellen Weg mit Gott, um die persönliche Berufung, um eine ganzheitliche Betrachtungsweise.
- Geistliches Leben ist ein Weg, ein Reifungsprozess. Die Wahrnehmungsfähigkeit und Aussagekraft von inneren Bewegungen, Träumen, Stimmungen, Gefühlen wird gestärkt. Für mich sind darüber hinaus aber auch Begegnungen, Gespräche, Predigten, „hörendes Gebet“, externe Hinweise (geschwisterliche Korrektur), Literatur und nicht zuletzt die Erfahrungen der eigenen Lebensgeschichte wichtige Quellen, um eine Berufung zu erkennen.
- Das Charisma der [„Unterscheidung der Geister“] ist dabei ein wesentliches Kriterium, um die Spuren des Heiligen Geistes im eigenen Leben zu entdecken und von anderen Kräften unterscheiden zu können, z.B. von Extrovertiertheit, Profilierungsbedürfnis oder Selbstüberschätzung.
- Interessant bei den ausformulierten „Standards Geistlicher Begleitung“ finde ich das Stichwort „Mehr“, das mich an eine charismatische Initiative erinnert. „Ein Mehr an Glauben, Hoffen und Lieben, ein Mehr an Leben, Lebendigkeit und Freiheit, ein Mehr an liebevoller Liebe zu sich selbst, zu den Menschen und zu Gott“ (Deutsche Bischofskonferenz, Pastoralkommission Nr. 39, S. 20). Mehr von Jesus, Mehr an Heiligem Geist, Mehr für Lebensqualität als „innere, gottgewollte und geistgewirkte Herausforderung“ (ebd.)!
Gospel-Coaching mit Geist und Evangelium unterscheidet sich vom üblichen Coaching in sechs Punkten (nach Hans-Peter Pache, Berlin):
- Es möchte ein transformiertes Leben bewirken, statt bloßer Verhaltensänderung.
- Es übt die Verherrlichung Gottes ein, statt nur Selbstverwirklichung.
- Es bringt mich in Kontakt mit der Erlösung durch Jesus Christus, statt nur Heilmittel für Probleme anzubieten.
- Es ist Evangeliums-zentriert, statt nur Klienten-zentriert.
- Es lädt zur Direktive durch das Evangelium ein, statt überhaupt nicht direktiv sein zu wollen.
- Es lässt mich erfahren: „Gott allein ist gut“, statt mir vorzugaukeln: „Allein weil ich einer bin, ist der Mensch gut“.
Ich lasse mich geistlich coachen, weil ich nach der Lebenswende des Endes der Berufstätigkeit und dem „existentiellen Störfall“ bei der Lektüre von Evangelii Gaudium Nr. 3 als [neu Bekehrter] nach der konkreten Berufung als Christ für die nächsten Jahre frage und mich auf einem Weg geführt sehe, der ebenso unkonventionell wie spannend ist. Das Coaching besteht vereinbarungsgemäß aus ca. 1 Std. Gespräch alle 6–8 Wochen (und wird aus Kirchensteuermitteln bezahlt). Nachdem jetzt ½ Jahr meiner Volunteerzeit mit vielen neuen Eindrücken, Erfahrungen und Weiterbildungen herum ist, war ich in der Lage, meinen soziokulturellen und konfessionellen Entwicklungsprozess als aktuellen [Standort] unter mehreren Perspektiven zusammenzufassen und zu formulieren – ein Blog ist eine wunderbare Methode, dies zu tun und von guten Freunden gegenlesen zu lassen. Überhaupt ist nicht nur geregelte, fortlaufende geistliche Begleitung eine Hilfe, die eigene Berufung zu finden und weiter zu entwickeln. Auch einzelne geistliche Gespräche mit vielen weiteren kompetenten Weggefährten aus Vergangenheit und Gegenwart nehme ich gerne wahr. Danke, Gott, dass alle diese Menschen Zeit für mich haben und mir Orientierung schenken! In diesem sozialen und spirituellen Netz bist Du gegenwärtig und an meiner Seite, denn ich weiß, dass sie auch für mich beten.
- Wenn’s face to face nicht klappt, geht [geistliches Coaching auch online].
In meiner Gemeinde gibt es zum Jahresanfang die Möglichkeit, sich aus einem Körbchen mit Schriftworten eine persönliche Jahreslosung zu ziehen. Das berührt mich wieder sehr, denn Gott gibt mir keine netten Tipps, sondern stellt mir eine Frage:
„Wen soll ich senden? Wer will mein Bote sein?“
(Jes. 6, 8)
Die Antwort steht nicht mehr auf dem Kärtchen: „Ich bin bereit, sende mich“ Nur – das, was dann im Jesajabuch folgt, das möchte ich überhaupt nicht! Vielleicht ist es aber auch schon geschehen in dieser gegenwärtigen Zeit, dass das Volk Gottes in Deutschland, die Kirche, einem abgehauenen Baum gleicht, von dem nur noch der Stumpf steht. Am Ende von Jes. 6, 13 heißt es dann nämlich:
„Doch aus diesem Wurzelstock wird einmal etwas Neues wachsen: ein Volk, das mir gehört.“
Ja, das möchte ich, etwas Neues anpacken, ein neues Gemeindeformat anschieben, gemeinsam mit anderen…! Der Wurzeln meines Glaubens darf ich mich in diesem Jahr auf ganz neue und unerwartete Weise vergewissern, und vielleicht sind gerade sie es, mit denen ich/wir offene Türen für ein neues Projekt einrennen würden… Herr, wo und wie soll das geschehen?
„…und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte“ (Lk. 10,1).
Zu zweit. Das Copiloten-System hat also seinen Sinn. Davon habe ich neulich nachts noch geträumt. Und er sendet sie dorthin, wohin er selbst kommen will. Wo er also noch nicht oder nicht mehr zu finden ist. Diese Vorauskommandos machen [nichts anderes], als was er auch macht, und auch wie er es macht. Aber um das zu können, müssen sie „ständig online“ sein, sonst ist alles Agieren ziellos.
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