Zum Jahreswechsel 18/19: Zehn nach zwölf?

Zum Jahreswechsel 18/19: Zehn nach zwölf?

Hier darf auch liturgisch gerappt werden.

Hat die katholische Kirche in Deutschland noch eine Relevanz in der Gesellschaft? Ihre ethische Kompetenz in den dringenden Fragen unserer Zeit (Hass, Respektlosigkeit, Unversöhnlichkeit, Demokratieverlust mitverursacht durch die Bildungs-, Pflege- und Wohnungskatastrophe) hat sie durch die Missbrauchs-Verbrechen vollständig verloren. Ihre spirituelle Kompetenz ist nur noch in homöopathischer Verdünnung sichtbar. Die Frage für mich ist, ob die römische Kirche (und andere) ihre „apostolische Sukzession“ durch die Skandale nicht längst an zu vielen Stellen selbst abgebrochen hat. Kaum jemand interessiert sich noch für Kirchliches, und die Weigerung, jemals den Fuß über die Schwelle eines Kirchenraums oder Gemeindehauses zu setzen, nimmt exponential zu. Die Zahlen lügen nicht: Bei den letzten Pfarrgemeinderats- und Kirchenvorstandswahlen in Niedersachsen 2018 haben in meiner Stadt 8,9% teilgenommen. Auf gleichem Niveau steht die Mitfeier der Gottesdienste. Das heißt: Über 90% der eigenen Mitglieder (!) sind Liturgie und Leitungsgremien piep-egal! So lässt sich die missionarische Kehrtwende im Leben der Kirche, die PP. Franziskus 2013 ausgerufen hat, mit Sicherheit nicht realisieren. Eine Kirche, die nicht selbst evangelisiert ist, kann nicht evangelisieren (Heribert Mühlen). Sie macht ihren eigenen Grundauftrag zur Absurdität.

Und dennoch gilt es, genau an diesem Punkt anzusetzen! Das Feld darf nicht den „Gesund“schrumpfungs-Protagonisten überlassen werden. Während man sich beim Rückbau der Kirchen in unserer Stadt architektonisch und betriebswirtschaftlich anerkennend auf die Schultern klopft, bleiben die Fragen nach Gemeindeentwicklung und dem Grundauftrag einer christlichen (und damit eben auch katholischen) Gemeinde unbeantwortet. Im bischöfl. Seelsorgeamt wurden vor drei Jahren Strategien zur Umsetzung von „Evangelii Gaudium (EG)“ entwickelt. Nur eine Stadtrandgemeinde (von immer noch 23 Gemeindekirchen) hat sie bis jetzt abgerufen und geht daran, wieder Pionier- und Gründergeist zu entwickeln. Drei reformierte, eine lutherische (und auch einige neuapostolische) Kirchen wurden ganz aufgegeben, und es werden wohl nicht die letzten bleiben.

Gleichzeitig müssen wir in meiner freikirchlichen Gemeinde über Um- oder Neubau nachdenken, denn die Räume werden zu klein, vor allem für die zahlreichen Kinder- und Jugendgruppen, und sie entsprechen auch langsam nicht mehr den heutigen Anforderungen. Zum Glück ist es bei uns nur der Beton, der bröckelt…!

Hier die Sicht eines externen Kamerateams auf unsere Gemeinde.

Was habe ich gelernt in den vergangenen vier Jahren?

  1. Sub-Struktur Kleiner Christlicher Gemeinschaften. Sie wird in meiner Gemeinde gelebt (konsequent: 14 Hauskreise für ~150 Mitglieder). Das pietistische Modell der Hauskreise ist über Südafrika und die Philippinen wieder zu uns zurück gekommen. Wo sich Gruppen um Jesus und sein Wort scharen, ist er lebendig gegenwärtig – Weiheamt und [Eucharistie] braucht er erstmal nicht. Es gibt nur wenige kath. Pfarreien, die eine konsequente Substruktur in Hauskreisen haben. (In meiner Stadt kenne ich keine.) Dabei wäre gerade das eine realistische Antwort auf die berechtigten Sorgen, die mit den Fusionen zu Multisite-Großpfarreien im Zusammenhang stehen!
  2. Eine profunde Willkommens-Kultur. Alle Besucher unseres Gemeindezentrums werden persönlich begrüßt. Gäste und Interessierte können sich nach dem Gottesdienst am „Info-Point“ über Glaube und Gemeindeleben informieren lassen oder einfach zum Kirchencafé gehen, wo sie bestimmt nicht allein bleiben.
  3. Regelmäßige Glaubenskurse. Der Alpha-Kurs wird jedes Jahr gehalten und auch in der Stadt beworben.
  4. Erfrischende Gottesdienste mit zeitgemäßer Liturgie. Fünf Bands leiten die Gemeinde im Lobpreis, aber versuchen sich auch gekonnt im Arrangement geistlicher Liedklassiker. Es darf auch schon mal liturgisch gerappt werden, wie es das Beitragsbild oben zeigt.
  5. Alltagstaugliche Predigten. Wir haben keine Franchise-Leseordnung wie die Traditionskirchen. Die Gemeindeleitung berät zusammen mit dem Pastor, was für unsere Gemeinde „dran ist“. Sie versuchen im Gebet herauszufinden, was Gott auf seiner Agenda für uns hat. Wir kennen innerhalb und außerhalb unserer Gemeinde Männer und Frauen, die das Charisma des Predigtdienstes haben und unterdrücken es nicht. Die Predigten sind im Internet abrufbar und schaffen damit eine hohe Transparenz.
  6. Seelsorgsdienst. Acht zertifizierte Seelsorger/innen bieten nach den Gottesdiensten persönliches Gebet und Segen an und gehen damit auch auf die Straßen unserer Stadt. Überhaupt gehört das segnende Gebet füreinander zu den Basics der Arbeitsgruppen und Hauskreise. Suchende fühlen sich menschlich respektiert und von Gott angenommen.
  7. Wir sind familienfreundlich. Jeden (!) Sonntag wuseln 80 Kinder von 0-14 in fünf Gruppen durch unsere Räume und machen ein altersgemäßes Katechese-Programm mit.
  8. Pubertät ist kein Hinderungsgrund für Glaubenserfahrungen. Ausgerechnet im Alter von 12–14 Jahren führen wir das „Teenie-Bible-College“ durch, das mit einer Zertifikatsfeier die Kindheit abschließt. Innerhalb von zwei Jahren geht es durch die Highlights der Bibel. Dabei kommen Spaß, Ausflüge und praktische Erprobung nicht zu kurz. Eine starke Herausforderung für den Pastor, Vikar und das TBC-Team, und eine solide Wegbegleitung für junge Menschen.
  9. Jugendliche bringen auch uns Greyheads weiter mit ihrer Unbefangenheit und ihrem missionarischen Eifer. Die Pfadfinder (Royal Rangers) strahlen jeden Mittwoch und auch sonst vehement in den Stadtteil aus und sind zur Zeit die diakonische Speerspitze unserer Gemeinde. Jugendliche können jeden Freitagabend in Peer-Groups abhängen und sich über Gott, die Welt und das Leben austauschen. Moderne Glaubens-Events gibt es auf Verbandsebene.
  10. Fazit: Misssion is possible! Und das müssen keine Spezialitäten einer explizit charismatischen Gemeinde sein. Charismenorientierung ist in jeder Kirchengemeinde möglich, wenn man es nur will. Für jedes pastorale Problem gibt es mittlerweile gute und vor allem interkonfessionell erprobte Lösungen. Warum unsere Hauptamtlichen-Teams in Deutschland sie nicht kennen oder kennen wollen, bleibt für mich unbegreiflich. Darum: Wartet nicht auf Priester, wartet nicht auf Hauptamtliche (EG 120), sondern lasst Euren Frust, von dem die nordostdt. Kirchenzeitungen auf der Titelseite ihrer Nr. 49 v. 09.12.2018 berichten, vom Heiligen Geist in positive Energie verwandeln und nehmt Eure Sache einfach selbst in die Hand! Katholiken haben sogar ein verbrieftes Recht dazu [can. 215 CIC]. Warum nicht eine (formell noch bestehende) katholische Gemeinde [inhaltlich und spirituell] ganz neu gründen? Fangt mit einem Gebetskreis und Bibel-Teilen an!

Ich muss hier gar nicht selber schulmeistern. Meine Erfahrungen decken sich zum allergrößten Teil mit denen denen von James Mallon, die er in seinem Buch [„Wenn Gott sein Haus saniert“] über die Pfarrei St. Benedict in Halifax/Kanada schildert. Daraus ist ein (zunächst englischsprachiger) [Pastoral-Service] entstanden. Mallon war bereits in einigen [süddeutschen Bistümern] als Referent für Erneuerung unterwegs. Pfr. Anton Spreizer aus Ortenburg war in Halifax und hat sich dieses „Renovierungsprogramm Gottes“ für eine ganz normale Kirchengemeinde angesehen. Eine [Kontaktaufnahme] lohnt sich bestimmt!

Und wie man einen [Alphakurs] durchführt und wie er „funktioniert“, das kann man [direkt bei uns] lernen. Wir machen übrigens seit ein paar Jahren auch den Coaching-Prozess „[Natürliche Gemeinde-Entwicklung (NGE)]” mit, der vor einiger Zeit in der kath. Kirchenzeitung empfohlen wurde. Und in Klassenstärke nehmen wir an der 3-jährigen berufsbegleitenden [Leiterschulung K5] teil, die einmal pro Vierteljahr in unser Gemeindezentrum gestreamt wird, multikonfessionell zusammen mit fast 4.000 (!) weiteren Teilnehmern in ganz Deutschland, um für die Zukunftsaufgaben mit der Leitung von Zellgruppen und Hauskirchen gerüstet zu sein.

Bischof Heinz-Josef Allgermissen hat beim [50-Jahr-Jubiläum der Charismatischen Erneuerung (CE) in der kath. Kirche] im Fuldaer Dom die Mitfeiernden aufgerufen: „Gründet Hauskirchen!“ Bis jetzt durfte ich drei [Startups mit auf den Weg bringen]: Ein Gemeindegebet am Vormittag, ein multikonfessionelles Gebet für Stadt + Land und ein Gründungsprojekt für ein 24/7-Gebet rund um die Uhr, das noch im Aufbau und Teil des [Missions-Manifests] ist. Um so etwas zu lernen und in der Stadtgesellschaft professionell umzusetzen, muss ich in eine charismatische Freikirche gehen, weil die Traditionskirchengemeinden in meiner Stadt wenig Interesse an neuen Wegen zeigen. Alle Christen stehen durch Taufe, Firmung, Salbung und Handauflegung in der apostolischen Sukzession und geben diese durch ihr Gebet und Glaubenszeugnis auch weiter. Eine Amtsvollmacht ist kein Qualitätssprung hinsichtlich der Taufberufung (in [„Gemeinsam Kirche Sein“] kann man dazu sehr viel Substantielles lesen). Die apostolische Sukzession eines Amtsinhabers ist eine geistliche Realität, eine Gnadengabe (Charisma), die wie jedes Charisma auch blockiert werden kann (z. B. durch Amtsverbrechen). Wenn in der DNA des hierarchischen Amtes Machtmissbrauch impliziert ist (weswegen viele aus der Kirche austreten), muss die katholische Kirche runter von einem Weiheverständnis, das Handauflegung als „magische Automatik“ für ein angebliches „ontologisches Plus“ der Amtsträger definiert hat. Auch wenn das 2. Vatikanische Konzil Weihe nicht nur funktionell definieren möchte, so darf dieser Aspekt gerade in der heutigen Zeit nicht unter den Tisch fallen. Immer und immer wieder wird in Lumen Gentium betont, dass das Wesen des Amtes (Nr. 10) Dienst ist und damit alles Gegenteilige ausschließt: Überheblichkeit, Macht, Hochwürden-Sein, Herrschsucht, autoritäres Gehabe, Klerikalismus bis hin zu seltsamer Kleidung. Füße waschen statt 1. Reihe! 2. Kor. 1, 24 ist eine probate Regel für alle Leitenden. Der Geist Gottes weht, wo er will und ist überhaupt nicht an menschliche Strukturkonzepte gebunden (die ja selbst in der römischen Version der Kirchengeschichte bes. im 1. Jahrtausend durchaus unterschiedlich waren). Meine Gemeinde lebt schon jetzt, wovon der Bischof von Rom träumt (in EG 27 spricht er es aus). Ich darf dabei sein. Danke Jesus und Deinem Bodenpersonal!

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