So heißt der Deutschlandkongress der [Charismatischen Erneuerung in der kath. Kirche], vom 14.–17.06.2015 unter dem Motto „ein Segen sein“ im bewährten Tagungsort des kommunalen Gemeindezentrums mit Kreissporthalle in Künzell bei Fulda. Einen Pressebericht gibt es [hier], und mehr Fotos [hier]. Um die Veranstalter näher kennen zu lernen und weil ich auch praktisch mit anpacken möchte, mache ich im Helferteam mit.
Sehr berührend (im wörtlichsten Sinn) war der Freitagabend „Im Segen Gottes leben“, an dem der Hauptreferent Dale Kauffman (Mitbegründer von [„King’s Kids“], dem Kinderzweig von [„Jugend mit einer Mission“]) das Miteinander der Generationen und die Verantwortung der Alten für die Jungen dadurch erfahrbar machte, indem er uns
Alte bat, uns in einem großen Kreis rings um die gesamte Versammlung aufzustellen und den Jüngeren ein seelsorgerliches Gebetsangebot zu machen, das sie auch reichlich in Anspruch nahmen (1:1, selbstverständlich nur wer es wollte). Nach mehreren Erwachsenen kam zu mir ein kleiner Junge, der Probleme mit seiner Haut hatte (ich hab sie auch). Ich meinte, er müsse mir nun nicht alle Stellen zeigen, da sagte er: „bet halt einfach für mich.“ Wow, 5 Jahre alt! Ich hab ihn dann in die Arme genommen (Dale Kauffman hatte uns vorher gezeigt, wie wir Väter-/Mütterlichkeit ausdrücken können, ohne anstößig zu wirken) und ihm Heilung und Trost zugesprochen. Ich konnte es noch auf seiner Sprachebene, das habe ich zum Glück nicht verlernt (und überhaupt bin ich ja auch immer selbst ein Kind Gottes und damit sein Bruder. So einfach ist das). Es gab während der Tage viele Gelegenheiten, Menschen in Nöten im Gebet zu helfen. Ich habe aber immer jemanden dazu geholt (Mt 18, 19). Schade dass das in unseren Gemeinden kaum praktiziert wird – welch ein Glück, dass ich in einer Gemeinde bin, wo man das regelmäßig erfahren kann!
Das zweite Highlight war dann der Workshop „Evangelisation ganz einfach“ mit praktischem Straßeneinsatz in der Fuldaer Bahnhofstr. Ich war zwar bisher immer der Meinung, dass ich nicht der Typ für so etwas sei, aber die Sache an sich ist ja nicht nur eine Open-Air-Angelegenheit, sondern soll gem. EG unser gesamtes pastorales Handeln bestimmen. Vielleicht tut so ein Extrem-Einsatz mal gut, um dies Charisma von Null auf Hundert auszuloten. Dass das Ziel der Straßenevangelisation die Einladung zur persönlichen Bekehrung hier und jetzt ist, hätte ich nicht gedacht! Ich war von einer Gesprächsanleitung „über Gott und die Welt“ ausgegangen. Unser Referent hatte ein schon etwas betagtes Modell von [Campus für Christus] als Broschüre weiter entwickelt.
Wir haben uns auf verschiedene Zweier- und Dreiergruppen aufgeteilt, und als ich vor dem Hauptbahnhof auf meine Kollegen/innen warte, werde ich von einem Salafisten auf eine Art und Weise angesprochen, die ich mir eigentlich selber zurechtgelegt hatte. Ich wollte ja nun „jederzeit Rechenschaft ablegen über die Hoffnung, die mich erfüllt“ (1. Petr. 3, 15) und bin dem jungen Mann nicht ausgewichen. Was dann folgte, war der einstündige Versuch, uns gegenseitig zu unserem Glauben zu bekehren – natürlich ohne Erfolg, aber immerhin in gegenseitigem Respekt. Nach und nach eröffnet mir der gute Mann, dass er nicht nur Christ gewesen sei, sondern auch Theologie studiert habe und dass seine Mutter in einem charismatischen Gebetskreis sei. Und an so einen gerate ich bei meinem ersten zaghaften Versuch, auf der Straße ein Glaubenszeugnis zu geben während eines charismatischen Kongresses!
Nachdem wir unsere Bekehrungsversuche mit einigen Abstiegen in die Niederungen kontroverser Theologie beendet hatten, spreche ich mit meinen Co-Evangelisten/innen noch einige Passanten an, was mir nicht leicht fällt. Niemand weicht aus, mit einigen ergeben sich Gespräche, sogar einmal gemeinsames Gebet, aber direkt bekehren tut sich keine/r. Einigermaßen entsetzt bin ich über solche Aussagen wie: „Ich bin katholisch, aber an Gott glauben kann ich überhaupt nicht“, oder „ich bin zwar katholisch, aber mit diesem Jesus, das ist nichts für mich…“. Deutlicher können die Fehlentwicklungen in der kath. Kirche wohl kaum formuliert werden. Offensichtlich verkommt hier Gottvertrauen zur rein ideologischen Brauchtumspflege. Dass es in Fulda eine Sunnah-Moschee (Pierre Vogel) gibt, kommt dann wohl auch nicht von ungefähr.
Nach diesem anstrengenden und zweitägigen Workshop war dann der Samstagabend das dritte Highlight mit der Möglichkeit, um das Geschenk der Taufe im Heiligen Geist zu beten. Jeweils zwei geschulte „Geschwister“ waren gut vorbereitet, dabei zu unterstützen. Klar, dass ich 2. Tim. 1, 6+7 jetzt nach „theoretischer Erkenntnis“ Ende Nov. 2014 nun auch in die Tat umsetzen wollte, und alle angesammelten ach so intellektuellen Vorbehalte gegen einen solchen Schritt (der ja nicht mein erster war, aber der war halt schon lange her…) beiseite schieben konnte. Es war ganz schlicht und einfach und gar nicht spektakulär, ich wurde weder ein Quaker („Zitterer“) oder sonstwas, noch geriet ich in Verzückung (das ist mir nur einmal Pfingsten 1967 als Schüler passiert, auf Tournee in Lüneburg beim Singen des gregorianischen Pfingst-Hallelujaverses „Veni Sancte Spiritus“, da hatte ich von charismatischen Sachen noch Null Ahnung). Aber dennoch waren diese 5 Minuten, die ich da kniete (was ich sonst selten mache, mein Knie…) und mir die Hände aufgelegt wurden, eine Erfahrung von Geborgenheit, von festem Boden, ein Überströmt-Werden mit Gottes Kraft von oben bis unten (Ps. 133 hat mich immer beeindruckt, nun durfte ich es erleben) und die Gewissheit durch die Worte meiner Mitbeter, dass Gott meine Schritte fest machen und mir die richtigen Worte in den Mund legen wird, [wenn es drauf ankommt]. Darauf darf ich mich immer verlassen. Lassen wir dieses Feuer nie verglimmen! We are „burning persons“ und die braucht Gott, [solche braucht die Welt]! Asche liegt schon genug auf unseren Wegen auch in den Kirchen herum.
Ich konnte neben dem sehr guten Vernetzungseffekt auch ein bisschen „hinter die Kulissen“ der Charismatischen Erneuerung (CE) gucken. Sie ist wirklich strukturell eine Art Freikirche innerhalb der katholischen Kirche, denn sie ist nicht hierarchisch, sondern von Beginn an synodal verfasst. Sie bekommt keinerlei Unterstützung aus Kirchensteuermitteln und muss ihre Mitarbeiter (1 hauptamtl. pastoraler Mitarbeiter, 1 Geschäftsführer und mehrere Bürokräfte) selbst besolden und die recht umfangreiche Kinder- und Jugendarbeit und alles Material und Räume selbst finanzieren. Daneben gibt es die Bistumssprecher/innen, die aus den Gebetskreisen und Werken gewählt, vom jeweiligen Bischof bestätigt werden und aus ihrer Mitte ein ehrenamtliches Bundesleitungsteam wählen. Das Bistum Hildesheim sponsert den Bundessprecher, Diakon Helmut Hanusch aus Göttingen, mit einer 30%-igen „Freistellung für innovative Pastoral“ (die der Bischof aber allen Hauptamtlichen im Bistum genehmigt hat). Sein unklerikales Auftreten während der gesamten Tage hat mir sehr gefallen, denn ich wurde auch mit einigen beinharten Traditionalisten konfrontiert, für die Marienverehrung und offensives Zur-Schau-Stellen ihrer speziell „charismatischen“ Frömmigkeit anscheinend wichtiger waren als der Blick auf Jesus und die Einheit im Geist.
So war also dieser Kongress, das gesamte Ambiente, die Gottesdienste, die Gebets- und Lobpreiszeiten aber doch ein ziemlich kongruentes Abbild dessen, was ich jeden Sonntag [zu Hause in der Andreas-Gemeinde] erleben und feiern darf, bis hin zur Musik, die völlig identisch ist. Unterstützt haben uns zwei Bands, JCE aus Regensburg und die Immanuel-Lobpreiswerkstatt Ravensburg. Fast alle Lieder kannte ich schon aus meiner freikirchlichen Gemeinde. Ach ja, der Weihbischof Dietz hat einem unserer tägl. Gottesdienste vorgestanden, und der ist ja nun ein entschiedener Protagonist der [Alpha-Kurse], die mit einem gut besetzten Infostand auch dabei waren.
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