Mut, loszugehen!

Mut, loszugehen!

Rangergottesdienst – unsere Pfadfinder präsentieren sich open air, der Gottesdienstsaal wäre für die Kinder, Jugendlichen und Eltern auch viel zu klein. Es ist zwar kalt in diesem Frühling 2019, aber die Sonne scheint – und wärmt. Das Motto kann ich mir ohne Weiteres zu eigen machen. Josua, der Kundschafter, [ist mir sehr sympathisch]. Nun aber soll er leiten, Anführer sein – hmm, nicht mehr Copilot? Mir kommt die ECHT! 2019 (die jährliche Mitarbeiterkonferenz des Mülheimer Verbands) wieder in den Sinn und [das, was sie in mir angerichtet hat].

Ich sage dir noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Hab keine Angst und lass dich durch nichts erschrecken, denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst! (Jos. 1, 9)

Und noch weiter zurück, 2016 beim Startup der „Kirche der Beteiligung“ im Osnabrücker Priesterseminar: [Und jetzt geh! Da, wo Du stehst – wo Du Dich hinstellst – ist heiliger Boden!] Ex/2. Mos. 3, 10 Losgehen, einen Weg einschlagen, „Primerar“, ja, zum ersten Mal oder als Erster, ist ein Motiv, das PP. Franziskus oft als Grundhaltung beschreibt. Für mich übersetzt: Keine Angst davor zu haben, Verantwortung zu übernehmen! Ich bin doch drauf, auf diesem Weg, der Jesus heißt. Nun geht es darum, nicht schlapp zu machen. Welchen Grund sollte es auch dafür geben? Mein Kirchenfrust? Die Skandale „der anderen“ (…ich doch nicht!)? Nein,

„Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn.“ (2. Tim, 1, 6-8)

Besonders diesen 1. Teil von Vers 8 hatte ich bisher gar nicht so auf dem Schirm.

Zwei Mädels leiten den Gottesdienst. Warum auch sollen das immer Erwachsene machen? Warum auch immer Hauptamtliche oder gar „Geweihte“? (Parallel zu uns haben sich Frauen vor dem Dom versammelt und feiern einen „Konkurrenzgottesdienst“ zur männlich geleiteten Sonntagsmesse im Dom. Hier bei uns sind Frauen in der Gottesdienstleitung ziemlich normal.) Dann wäre die Predigt dran. Der Pastor sitzt heute am Schlagzeug. Dann sollte er (gut katholisch gedacht) im Gottesdienst nicht auch noch andere liturgische Rollen übernehmen. – Wow, Nick baut sich vorne auf und nimmt das Mikro. Auf der Jugendmitarbeiterkonferenz „MIA 2017“ haben wir beide [Gänsehautmomente gehabt], die seinen Weg zur Taufe vorangetrieben und auch mich neu entflammt haben. Er ist gestern 18 geworden.

Nick predigt über Schulstress.
Vikar Mathias Hamm predigt über Josuas Stress.
Tim predigt über die Konsequenzen

Die absolute Hammer-Überraschung für mich an diesem Morgen ist Tim. Tim (16) predigt! Beim Ranger-Gottesdienst kann man mit vielem rechnen, aber das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ich kenne ihn eigentlich nur flüchtig, wusste aber, dass er in unserer Jugendstufe aktiv ist und auch schon einiges mit vorangebracht hat. Ich habe oft an ihn gedacht und für ihn gebetet, denn er ist eines meiner „geistlichen Patenkinder“ – vor zwei Jahren, als er 14 war, durfte ich ihn bei der Jugend-Evangelisation [„Jesus-House 2017“] im Gemeindezentrum der Baptisten begleiten, als er sich entschlossen hatte, zum Kreuz zu gehen. Danach hatten wir ein kurzes Gespräch und für spirituelle „Notfälle“ unsere Kontaktdaten ausgetauscht. Schon damals hatte ich immer diesen Eindruck, dass [wir Alten den jungen Leuten nicht nur den Rücken stärken] sollten, sondern dass die Jungen in ihrer Unbekümmertheit uns auch durchaus voraus sind, wovon wir uns ruhig etwas abgucken können! Tim spricht mir heute morgen unmittelbar ins Herz. Zwischen uns liegen fast 54 Lebensjahre.

Tim stellt sich der Herausforderung, die Erfahrungen Josuas mit Gott und die „Ergänzungen“ von Paulus im Römerbrief 8, 31+32 (Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?) für uns konkret und jetzt zu erklären, auszudeuten und Möglichkeiten zum Anwenden aufzuzeigen. Was bedeutet „Sei mutig und stark“ (Jos. 1, 7+9)? Was heißt das „Alles“ bei Paulus für uns, für mich? Vor den drei Predigern sitzen Eltern von Rangerkindern, von denen die Meisten keinen persönlichen Bezug zur Gemeinde haben, vielleicht auch gar nicht zu Gott. Eine echte Missionssituation!

Seit Studentenzeiten mein Kompass

Tim lässt nicht locker: „Mutig und entschlossen zu sein heißt: Risikobereit zu sein – etwas aufzugeben oder etwas einzusetzen.“ Habe ich Angst, etwas zu verlieren? Was kann ich denn einbringen? „Gott zeigt Dir eine Richtung, einen Weg für Dein Leben“, meint dieser 16-jährige vor knapp 200 Leuten. Klar, das habe ich schon oft gehört, gelesen, und sage es ja auch selber so. Aber es hier und jetzt von Tim nochmal zu hören, ist viel mehr als ein gut gemeinter Apell an irgendwie eine allgemeine Grundstimmung. Mich jedenfalls fordert er jetzt, unverzüglich, zur Stellungnahme heraus: Will ich das? Will ich immer wieder aufs Neue diesen Weg, der Jesus heißt? Krieg ich das hin, jeden Tag? Wie steht es um meine geistliche Disziplin? Tim kramt einen Kompass aus seiner Hosentasche… „Weiche nicht nach rechts und nicht nach links von diesem Weg ab“ (Jos. 1. 7), „damit du Erfolg hast in allem, was du unternimmst“. Hmm … gibt es für mäßige Effizienz im Alltags-Engagement auch bei mir vielleicht Gründe?

Und dann „erwischt“ mich Tim: Er erzählt, dass er oft denkt, er könne den Weg abkürzen. „Das geht aber bei Gottes Weg für Dich nicht. Sein Weg ist der beste, wenn auch nicht unbedingt der einfachste. Fokussier Dich auf das Ziel, bleib dran, gib nicht auf, guck immer wieder auf Deinen Kompass! Tag und Nacht (Jos. 1, 8) …“ Mit welchen Menschen umgebe ich mich, außer meiner Familie, in welchen Peer-Groups bin ich? Welche Medien nutze ich, was lese ich? Wie verinnerliche ich Gottes Wort an mich, mit wem tausche ich mich aus? Es gibt keinen Lebensbereich, in dem das nicht möglich sein sollte. (Mir fällt wieder ein, dass Gott gerne im beruflichen Kontext auftaucht: bei Hirten, Fischern …) Für Tim ist die Verheißung an Josua das Highlight dieses Predigttextes: „Wenn Du das tust, dann wird Dir alles gelingen, was Du Dir vornimmst. Das ist schon ziemlich heftig! Gott wiederholt das sogar mehrmals.“ Ich darf also Gott beim Wort nehmen. Er steht dazu. Dann gilt nicht mehr, auch für mich: Ich kann’s nicht schaffen, bin viel zu klein, ich kann das nicht, ich bin doch schon viel zu alt…

„Gott hat einen Weg für Dich, Gott glaubt an Dich! Geh einfach los, heute noch (!) lass Dich nicht einschüchtern, hab keine Angst! Ich, Gott der Herr, steh Dir bei, wohin Du auch gehst – selbst wenn Du mal den Kompass verlierst, oder nicht weißt, wo Du bist, dann weiß ich, Gott, immer noch, wo Du stehst.“

Da ist es wieder, dieses [„heute noch“] aus „Evangelii Gaudium Nr. 3, d. h. maximal bis 24 Uhr!

Ich habe ein Flashback zu meinem letzten [Leben-im-Geist-Seminar] vor nunmehr zwei Jahren, wo mir zwei gestandene Katholikinnen im Gebet geradezu prophetisch sagten: „Vernachlässige nicht Dein Leben aus dem Wort Gottes, denn Gott spricht auch heute, in unsere Sinne hinein, und durch unseren Mund zu anderen, und immerhin verläuft ja Dein Weg nicht ohne Grund in einer evangelischen Gemeinde. Setz Dich auf den Hosenboden und bete geduldig weiter, das kann eine lange Etappe werden.“

Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Nick und Tim werden es als erste erfahren, was bei mir schon ganz lange „schmort“, worüber ich nicht nur immer wieder nachgedacht, sondern mit etlichen erfahrenen Leuten auch gesprochen habe. Außer meinen Ab-sond-erungs-Tendenzen (Sünde) gebe ich nichts auf, sondern will einfach nur ganz konsequent sein, den „roten Faden“ weiter verfolgen, den Jesus bis hierhin in mein Leben gelegt hat, damit ich die Richtung nicht verliere. Der Chor der Bedenkenträger – besonders der theologischen – ist mir mittlerweile völlig wuppe. Zwischen Mut und Besonnenheit gibt es bei Gott keinen Unterschied. Er ist es höchstpersönlich, der Zukunft und Hoffnung schenkt (Jer. 29, 7+11+13). Ich hab doch immer erfahren dürfen, dass es in den unterschiedlichen Lebensphasen viele „dicke Knoten“ im roten Faden Gottes gegeben hat. Warum bitte soll das nicht weiterhin so sein? Gottes Angebot steht. Danke Papa, danke Jesus, danke Tim und den vielen anderen Weggefährt/inn/en!

Ob eine Glaubensentscheidung nicht nur mutig, sondern auch besonnen ist, dafür gibt es in der geistlichen Überlieferung ein [strenges Prüfungsverfahren], das ich schon einmal hinsichtlich meiner 3-rd-Life-Engagements schriftlich angewandt habe. Für die nächsten Wochen werde ich es mir mit neuen Koordinaten wieder auf den Tisch legen.

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