Doppelmoral nach r.k.-Art

Doppelmoral nach r.k.-Art

Ist der katholischen Amtskirche eigentlich klar, mit welcher Bigotterie (Doppelmoral) sie in diesen Tagen argumentiert? Zu nicht-sakramentalen Lebenspartnerschaften sagt sie: „Wir haben keine Vollmacht, Sünde zu segnen“, aber jahrzehntelang wurden geweihte Amtsträger vor der Justiz geschützt, deren kriminelle Lebensführung erst nach systembedingter Vertuschung und großem öffentlichen Druck ans Licht kommt! Zehn Jahre Herumeiern und Nicht-Wahrhaben-Wollen: Als Reinhard Marx, seinerzeit Vorsitzender der deutschen kath. Bischofskonferenz, in der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Missbrauchsstudie am 25.09.2018 von Christiane Florin (Deutschlandfunk) gefragt wurde, ob unter den 66 Bischöfen „einer oder zwei“ seien, „die im Zuge ihrer Beratungen gesagt hätten: Ich habe soviel persönliche Schuld auf mich geladen, ich kann eigentlich diese Verantwortung des Amtes nicht mehr tragen?“, kopfschüttelnd über eine solche Frage die lapidare Antwort „nein“ gab. [https://youtu.be/6JmYBwRILLI?t=5842, letzte Frage bei 1:37:22]
(P.S:: Am 21. Mai 2021 hat Reinhard Marx seinen [Rücktritt als Erzbischof] von München angeboten. [Hier im Wortlaut]. In seiner persönlichen [Presseerklärung dazu] hat er ausdrücklich Bezug auf das o.a. Interview genommen.)

Und heute, knapp drei Jahre später, am 18.03.2021, werden ein Kölner Weihbischof und der Offizial ihres Amts enthoben, und ein weiterer Weihbischof sowie der Hamburger Erzbischof Stefan Heße treten freiwillig zurück. An diesem Tag war es lediglich ein juristisches Gutachten, das veröffentlicht wurde, in dem es um Verwaltungsvorschriften, Kirchenrecht und öffentliches Strafrecht ging. Der moralische, pastorale und theologische Schaden, der schon seit Jahren zu einer Flut von Kirchenaustritten geführt hat, ist dazu noch gar nicht aufgearbeitet – und es stellt sich die Frage, ob er es jemals kann, denn es handelt sich keineswegs nur um ein Problem, das der deutsche Katholizismus hat.

Bei allem Respekt: Wie sollen Post-postmoderne Zeitgenossen Liturgie von Mittelalterspielen unterscheiden können?

Der Wurm nagt an der hierarchisch-monarchischen Weiheämter-Struktur der römischen Kirche. Sie ist keinesfalls „von Gott höchstpersönlich eingesetzt“, wie konservative Bischöfe behaupten (wo ist der biblische Bezug des römischen und orthodoxen Weiheamtes?). Sie ist das Ergebnis des Staatskirchentums in der Endphase des römischen Reiches, dem bereits Missgunst, Neid und Ämtermobbing bekannt waren (siehe z.B. den „Fall Origenes“ aus dem 2. christlichen Jhdt.) Einmal mehr zeigt sich, dass dieses mittelalterliche System desolat ist und Menschen des 21. Jhdts. nicht mehr vermittelt werden kann. Daran festzuhalten zementiert den „spirituellen und gesellschaftlichen Bankrott“ [F.A.Z. zum Jahreswechsel bereits 2014/15] dieser Konfession. Die viel zu zaghafte Digitalisierung in und nach dem Coronal-Fanal als Weg zu neuen Gemeinde-Formaten gibt dem Ganzen noch eine weitere unattraktive Spitze. Um noch einen umfassenden Neuanfang in der kath. Kirche zu ermöglichen, fordert der Berliner „Tagesspiegel“ heute nicht weniger als den Rücktritt aller deutschen katholischen Bischöfe.

Der „Synodale Weg“ und die Protagonistinnen von „Maria 2.0“ möchten dieses hierarchische Ämtersystem unter Berufung auf die Menschenrechte allen Frauen und verheirateten Männern öffnen. Dass sie damit einer grandiosen Re-Klerikalisierung das Wort reden, merken sie allem Anschein nach gar nicht – oder sie gehen von vorn herein davon aus, dass Frauenpriestertum und Aufhebung der Ehelosigkeit keine Chance im römischen System haben. Der [Synodale Weg ist eine Nullnummer] und mir nicht radikal genug. Schon vergessen: Nach drei Jahren „Dialogprozess“! Eine Hierarchie, in der Doppelmoral und Missbrauch (sei er sexuell oder geistlich) systembedingt sind, gehört insgesamt abgeschafft. Sprechblasen machen sie nicht glaubwürdiger.

Junge Kirche in meiner Stadt

Schon lange gibt es in der weltweiten Kirche Gottes Alternativen: Nein, die „charismatische Erneuerung“ ist es nicht: Zuviel Rückzug in die private Frömmigkeit – durch Sprachengebet kommt das Reich Gottes nicht.  Die Zukunft der Gesellschaft und damit der Kirche gehört teamfähigen Leuten, synodalen Gemeinschaften und Gemeinden, mit gemeinsamem Priestertum von Frauen und Männern, Pastoren und Pastorinnen, das ordinierte Amt als Dienst (so wie es „eigentlich“ auch das kath. Weiheamt sein möchte), das auch wieder enden kann (so wie es PP. Benedikt XVI. für sich in Anspruch genommen hat). Wer aus der kath. Kirche austritt (genau genommen: in Deutschland aus dem Kirchensteuer-System, kein/e Getaufte/r kann seine oder ihre Taufe rückgängig machen) sollte sich nach diesen Alternativen umsehen, um den Glauben und kirchliche Gemeinschaft weiterhin zu pflegen. Beim Katholikentag ist ein Info-Stand des „altkatholischen Bistums“ in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. [2016 in Leipzig] gab es ein beachtenswertes Forum über die Katholizität nicht-römischer Konfessionen und eben auch der Freikirchen (Dr. Markus Iff, Theol. Hochschule Ewersbach). Katholizität ist kein ausschließlich römisches Privileg. Nicht ohne Grund heißt es im Glaubensbekenntnis nicht „und die heilige römisch-katholische und apostolische Kirche“, sondern …

(Beitragsbild: Bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn 2011, ganze sieben Jahre vor dem Missbrauchs-Gutachten! (Foto: Michael Bönte, Kirche und Leben) Weitere drei Jahre später, im März 2021, sind die damals in Aussicht gestellten „unabhängigen Untersuchungs-Kommissionen“ immer noch nicht in allen deutschen Bistümern an die Arbeit gegangen. Mir ist es ein Rätsel, dass „katholische Laien“ diese Verhältnisse immer noch hinzunehmen bereit sind und glauben, dass „sich“ die Kirche schon noch ändern würde…