Die Mitarbeiterkonferenz des Mülheimer Verbands, [diesmal wieder] im großen Gemeindezentrum von Ellmendingen in der Ortschaft Keltern, an der badisch-württembergischen „Grenze“. Unter dem nicht besonders aussagekräftigen Motto „Einfach Gemeinde“, und mit vielen tiefgehenden Workshops, geleitet von einigen externen, aber vor allem verbandseigenen Referentinnen und Referenten. Und das Wichtigste: Der Austausch zwischen den Gemeinden, die Gebets- und Gesprächspausen, die Chillout-Abende, die Privatquartiere im Dorf. Die Gastfreundschaft überwältigend, das Catering des Mülheimer [„Kommandos Verpflegung“] wieder tipptopp, weil alles frisch und regional zubereitet wird.
Ich bin im Frühstücksteam dabei und habe wieder mein Faltrad mit, um schnell hin und her zu gelangen. Das war mit dem Quartier in der Nähe der Straße „Am Weinberg“ allerdings steigungsbedingt nur mit 200 m Fußmarsch zu bewerkstelligen…
Neben einigen Vorträgen, z.B. zur „Interkulturellen Gemeinde“ von Horst Engelmann aus der Akademie Wiedenest und zur „Missionalen Gemeinde“ von Alex Kambiambia aus Sambia habe ich drei Workshops belegt: „Christus aus dem Alten Testament predigen“ mit Matthias Voigt, „Grundlagen Prophetie“ mit Präses Sam Krauter und „Gemeinde mit einer Mission“ mit Hans-Peter Pache, der den [„Sandbox-Prozess“ meiner eigenen Gemeinde] coacht. Das online-Seminar „Jesus nachfolgen – auch emotional!“ ist leider ausgefallen, sodass ich mir nochmal die Predigtreihe [„Die Vision einer Welle“] aus meiner Gemeinde angeschaut habe, die einen ähnlichen Blickwinkel eröffnet.
Die Stichworte „interkulturell“ und „missional“ fokussieren die Zukunftsaufgaben unserer Gemeinden, und ja, auch der traditionskirchlichen Gemeinden. Neben „reinen“ Migrantengemeinden finden Zuwanderer oft in „ihrer“ Denomination bzw. deren Verwandtschaft ihre geistliche Heimat wieder. Aber „missional“ zu sein, wäre nach dem Ende der Volkskirchen in Deutschland die entscheidende Zukunftsperspektive, die leider viele, nach meiner Einschätzung sogar die meisten, ungenutzt verstreichen lassen. Welche Gemeinde hat denn die Vision „wir wollen in den nächsten fünf Jahren die interessanteste Gemeinde in unserer Stadt werden“?
Muss man dafür Prophet/in sein? Ein wichtiger Dienst, wenn er denn ermutigt und zur Freiheit von Einbildung führt! Wenn er sich prüfen lässt, indem das [Charisma der Unterscheidung der Geister] Anwendung findet. Zu viele (selbst ernannte) „Propheten/innen“ habe ich Schiffbruch erleiden sehen. Vor Corona gab es keinen Wächterruf zum Beispiel, dafür aber andere Irrlichter aus dieser Szene.
Ich habe den Workshop „Grundlagen Prophetie“ mitgemacht. Ob es angemesssen ist, meine persönliche Beziehung zu Jesus quasi spielerisch als Vorübung aufzunehmen, wage ich zu bezweifeln (wobei Jesus als Kind bestimmt gerne gespielt hat…!) Es widerspricht so ganz der frommen Vorstellung, die wir und auch ich haben. Beim zweiten Übungschritt wurde es dann „ernst“ und wir teilten uns innere Bilder und Worte mit. Dass ich mich meinen Angewohnheiten nicht sklavisch unterwerfen möge, ist sicherlich ein wichtiger Hinweis – jedenfalls lässt er mir die Freiheit zu entscheiden, was denn nun genau gemeint ist. „Verachtet die prophetische Rede nicht“ meint Paulus in 1. Thess. 5, 20. Zu leichtfertiger Umgang öffnet geistlichem Missbrauch Tür und Tor. Beim auch in Mülheimer Gemeinden praktiziertem [„Hörendem Gebet“], und der nächsten Stufe der „Sozo“-Beratung bleibe ich weiterhin skeptisch, auch wenn die Mitarbeitendenschulung einigermaßen professionell durchgeführt wird.
Vortrag und Workshop zur „missionalen Gemeinde“ haben meine Vorstellungen von Gemeinde ausgehebelt. Gemeindeaufbaustrategien treiben mich seit der „Theologie des Gemeindeaufbaus“ von Vater Fritz und Sohn Christian A. Schwarz 1983 um. In der volkskirchlichen Abschiedsphase eine noch sehr „prophetische“ Perspektive, nach den Missbrauchsverbrechen vor allem in der römischen Kirche und der Austrittswelle aktueller denn je! Wobei die Traditionskirchen in Deutschland immer noch nicht begriffen zu haben scheinen, was jetzt getan werden muss. Es geht um nicht weniger als darum, dass der christliche Glaube für postmoderne Menschen plausibel sein muss. Methodisch sind die Freikirchen ihren (noch…) „großen Geschwistern“ in ihrer Pastoral haushoch überlegen. Hier gibt es Pioniergeist, unternehmerisches Handeln und vor allem eine Professionalität, die bis in die Liturgie der Gottesdienste hinein spürbar ist.
Was nehme ich mit nach Hause?
1. Keine Angst vor propetischem Reden (und Handeln!), und noch drängender die Pflege des Charismas der Unterscheidung der Geister. Die persönliche Sensibilität für „Echtheit“ möchte ich weiter entwickeln und einüben. Hier können auch Freikirchen ganz viel von den Jesuiten lernen!
2. Bin ich bereit dazu, die Vorstellung, wie das auszusehen hat, was wir und auch ich „Gemeinde“ nennen, vollständig über den Haufen zu werfen?
Unser Gemeindemodell hat mindestens drei Merkmale: a) Versammlung, b) Gemeindehaus oder Kirchbau, c) Hauptamtlich Leitende. Es kann aber auch ganz anders sein, und das haben wir in unserer Ortsgemeinde während Corona schon gelernt und gemacht: a) Zellgruppen (ja, 2-3 Personen konstituieren bereits Kirche!), b) irgendwo, wo schon Treffpunkte bestehen, Hauskirchen, oder halt Open Air („geht in alle Welt…“), c) Leitungsteams mit zeitlich begrenztem Auftrag. Also: Abschied von den Traditionen und Zielen, die Kirche und Gemeinde bisher ausgemacht haben. Eine echte „Conversión“ (PP. Franziskus in „Evangelii Gaudium“: Nichts in der Pastoral kann so bleiben, wie es jetzt – 2013 – ist ). Neuer Wein (postmodern: plausibler Glaube) gehört in neue Schläuche (flexible Strukturen, lean management!, jedenfalls nicht in ein staatskirchliches Ämtersystem aus dem Mittelalter, das weder biblisch noch gottgewollt ist). „Fresh expressions of church“ ist nicht nur eine Anfrage an die traditionelle Kirchenpastoral, sondern auch für innovationsbegeisterte Freikirchen. Auch unsere Gemeindegründungs-Startups sehen unkonventionelle Methoden oft noch zu sehr als „Übergangslösung“, an deren Zielpunkt dann doch wieder die herkömmliche Gemeindestruktur steht – womöglich als Multi-Site-Gemeinde, und – schlimmer noch – mit streng hierarchischer Leitung.
Gemeinde kann/muss auch ganz anders sein! Auch für eine Hauskirche kann ein Sonntagsgottesdienst Quelle und Höhepunkt sein – das muss nicht ausschließlich in einem Gemeindezentrum oder einer Multi-Site-Pfarreikirche erfahren und erlebt werden können. (Von Christen in der Verfolgung können wir da auch einiges lernen.) Die ersten Jahrhunderte des Christentums haben in illegalen Hauskirchen überlebt.
Was macht dann „Kirche“ überhaupt noch aus? Genau: Die Gegenwart Jesu Christi mitten in der Welt braucht „nur“ Zwei oder Drei, die dazu einladen und das gastfreundlich feiern. [Einfach so}. Und die sich dann miteinander vernetzen. Dazu muss man weder geweiht noch (frei-)kirchlich ordiniert sein. Einzige Gefahr dieses Modells: Der Rückzug in ein „Ghetto“ (Joh. Bapt. Metz) – auch das kennt die Geschichte der Kirche Gottes in dieser Welt zur Genüge.
Welches Fazit der Präses des Mülheimer Verbands, Sam Krauter, im Schlussgottesdienst aus der ECHT! 2023 gezogen hat, [beschreibe ich extra], weil es so wichtig ist für einen Gemeindeverband in der Evangelischen Allianz.
Tja, und ganz am Ende dieser Konferenztage, auf dem Nachhauseweg im heimischen Hauptbahnhof, hatte ich dann leider noch einen kleinen Unfall. Ich glaube ja nicht, dass ich mich vom Hobby des Fahrradfahrens versklaven lasse (mit meinem „Billigrad“…) – dennoch muss ich mich mit einem [dreimonatigen „Boxenstopp”] zufrieden geben. Ich bin froh und dankbar, dass nichts gebrochen und das Gehirn nicht erschüttert wurde.
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