Die Ausgangsfrage ist: Spricht Gott zu mir – oder etwa jemand ganz anderes? „Der Verwirrer“? Meine Eitelkeit, mein Profilierungsdrang, meine Machtgelüste, meine Überheblichkeit?
Halte ich meine Lieblingswünsche für den Willen Gottes? Verwechsle ich mein Bedürfnis nach Anerkennung mit echter Berufung?
Peter Hundertmark u. a. (siehe auch [Literatur]) haben die „Regeln zur Unterscheidung der Geister“ des [Ignatius von Loyola (1491–1556)] „für den Hausgebrauch“ zusammengefasst. Ihre Kernaussagen gebe ich im Folgenden wieder. Eine [alltagstaugliche Übersicht] bietet auch Rudolf J. M. Böhm von der evangelischen „Offensive Junger Christen“, der auf Hans Buob SAC (kath.-charismatisch) zurückgreift.
Das Charisma der Unterscheidung der Geister ist kein besonderes Psycho-Wissen, kein Beratungs- oder Management-Tool, auch kein Verfahren besonders für die Kirche(n), sondern ein geistliches Gespür für die Wirkungen des Geistes Gottes auf dem geistlichen Weg. Es setzt betende Menschen voraus, die bereit sind, sich der Dynamik des Geistes Gottes auszusetzen und das eigene Wollen, den eigenen Willen und das eigene Wissen zu relativieren. Es braucht Menschen, die dafür Unterbrechungen in ihrem Terminkalender schaffen, reichlich Räume ihrer Zeit offen halten können, Achtsamkeit mit sich selbst üben und den Rat guter Freunde schätzen, oder sich einem geistlichen Coaching stellen.
Die Basis für eine Entscheidung im Glauben lautet:
- Gott ist ein liebevoller Vater.
- Der Geist Gottes mischt sich in unser aller Leben ein.
- Jeder Mensch kann Gott hören – wenn er es will.
Jeder Mensch kann und muss für sich selbst entscheiden, welche Handlungen vom Geist Gottes geführt werden und welche nicht. Die Unterscheidung der Geister für Einzelne oder Teams geht nach Ignatius in sieben Schritten vor sich:
1. Ich frage mich, ob überhaupt eine Entscheidung ansteht.
Entscheiden kann ich nur dort, wo noch nicht alles sowieso durch die Lebensumstände festgelegt ist.
2. Mit Fantasie und Mut kläre ich, welche Alternativen es gibt, um einem dualistischen und womöglich zwanghaften „Entweder-Oder“ zu entrinnen.
Jedes Mittel auf dem Weg zu Gott kann Hilfe und Hindernis sein.
3. Ich sammle zu allen Alternativen nüchtern Pros und Contras. Ich schaue besonders darauf, was
- im Rahmen meiner Kräfte, was
- vernünftig und
- sittlich erlaubt ist.
Spätestens hier ist es sinnvoll, sich eine entsprechende Tabelle anzufertigen. Wie würde Jesus oder eine mir wichtige Person entscheiden?
4. Achtsam spüre ich die Regungen meiner Seele zu jeder Option – die vielfältigen Stimmungen, Gefühle und Empfindungen. Besonders hellhörig und feinfühlig nehme ich wahr, wo ich gefangen von Ängsten und Zwängen bin.
Welche Stimmen in mir sind besonders laut? Was wird übertönt? Was wagt sich kaum zu zeigen? Keine Selbstzensur, Verdrängungen oder Denkverbote! Einige der gesammelten Optionen können schon aussortiert werden.
5. Gott traut mir viel zu und will mein Bestes. In meinen inneren Regungen spricht er zu mir. Ich sage Gott, was meine eigentliche Frage ist und wohin mich meine innerste Sehnsucht treibt. Ich bitte um Mut und Freiheit.
Meine Welt ist die, die ich sehe und verstehe – subjektiv.
Auf Gottes Welt kann ich nur indirekt und annähernd schließen. Kritische Distanz zu sich selbst ist Voraussetzung dafür zu erkennen, wohin mich welcher Geist ruft.
6. So schaue ich nochmals auf das ganze Bild der unterschiedlichen Optionen und versuche herauszufinden und zu verkosten, wo ich langfristig mehr Freiheit, mehr Gelassenheit, mehr persönliches Wachstum und mehr Zukunft spüre.
Am Ende gibt es nach Ignatius nur zwei Grundregungen der Seele: Trost – innere Harmonie, Gleichklang, innere Stimmigkeit, Freude, Lebensdynamik, und das Gegenteil, für das wir nur das Kunstwort „Untrost“ nennen können. Geistlicher Trost [Jahreslosung 2016] muss in seinen Auswirkungen immer an Jesus Christus und sein Leben, Sterben und Auferstehen anschlussfähig sein. Dialog in kirchlicher Gemeinschaft ist dabei hilfreich: Konkret ist [geistliche Begleitung] auf diesem persönlichen Weg durch eine Vertrauensperson sehr ratsam.
7. In diese Richtung entscheide und handle ich.
Das Ergebnis der Unterscheidung der Geister ist immer einmalig und individuell, so wie der Geist Gottes immer neu und überraschend ist. Auch verlangt jede Entscheidung mittelfristig Evaluation: dass ich sie auf die Kompatibilität mit meinem Lebensweg und den Geheimnissen des Lebensweges Jesu überprüfe.
Autoren: Peter Hundertmark, Johann Spermann SJ, Tobias Zimmermann SJ
ZIP: Zentrum für Ignatianische Pädagogik
[Vollständiger pdf-Text]
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