Ich bin mitgegangen. Das erste Mal wieder auf Demo seit 50 Jahren… Wer hätte das gedacht! Und wir haben den Autoverkehr in der City zum Erliegen gebracht. Zusammen mit ca. 7.999 meist jungen Leuten und vielen Älteren, die auch die Zeichen der Zeit deuten – für mich allerdings ganz klar: mit den Augen Jesu. Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung sind genuin biblische Themen (Ps. 72). „Climate justice“ haben wir lautstark gefordert: Klimagerechtigkeit widersteht Fluchtursachen. „For future“ sind nicht nur Schüler, Parents, Scientists, Psychologists, Künstler, Omas, die heute alle ihr Gesicht gezeigt haben. Jedenfalls ließ mich die weltweite Tageslosung (Jer. 29,7) mit dem Lehrtext (Mt. 9, 11) nicht lange zögern!
Wie sieht es mit uns Christen aus? Jer. 29, 11: „Ich will Euch Zukunft und Hoffnung geben!“ ist die Losung, mit der wir unseren Glauben bei „Fridays for future“ teilen können. Zwei Plakate junger Leute habe ich gesehen, auf denen das Wort „Gott“ vorkam. Der Dom hatte zum Gebet für die Schöpfung eingeladen, zu „fünf vor Zwölf“ läuteten die Glocken. Immerhin zeigten einige [Katholiken] danach buchstäblich ihre Flagge: die Kath. Arbeitneher-Bewegung KAB, deren Jugendorganisation CAJ, die Sternsinger (super!) und die St. Georgs-Pfadfinder DPSG. In Osnabrück gibt es eine ganze [Klimawoche] mit vielen interessanten und phantasievollen Veranstaltungen.
Wo waren die „Royal Rangers“, die „Wesley-Rangers“, der SMD, der CVJM? Wo waren die Moscheegemeinden (Suren 27, 31 u.a.)? Sind islamische Initiativen und Umwelt-Kongresse nur etwas für Istanbul oder Marokko? Welche Orient-Supermärkte in Osnabrück schaffen Plastiktüten ab und zeigen Männern, dass es total cool ist, mit einer Einkaufstasche für Dauergebrauch unterwegs zu sein?
Nur wenige Freunde aus der Evangelischen Allianz habe ich gesehen – wo waren die Lebensschützer, die doch sonst ganz gerne auf die Straßen gehen? Es werden ja nicht alle auf dem Weg nach Berlin sein… Wenn wir keine Lust mehr haben, dem christlichen Glauben öffentlich unser Gesicht zu geben, müssen wir uns nicht wundern, dass die christl. Kirchen im gesellschaftlichen Abseits stehen. Alles Gejammer über Gottlosigkeit nützt niemandem (nichtmal Gott), wenn wir nicht mit ihm unter die Menschen gehen, und zwar dort, wo sie sich versammeln – so wie es Petrus und die übrigen Männer und Frauen an Pfingsten gemacht haben. Das ist unser Grundauftrag! Bei Fridays for Future geht es doch um nicht mehr und weniger als um Heilung von Krankheit unserer Erde mit allen ihren Folgen für das, was wir für „zivilisiert“ halten, um Befreiung von Dämonen (mit und ohne Anführungszeichen), die Menschen kaputt machen, und das politisch ganz komplex und in globalem Maßstab! Leben mit Jesus ja bitte, aber wohin sich unser Kosmos dreht, ist mir egal? Die Ursünde der ersten Menschen im Paradies ist primär nicht Stolz, sondern Verantwortungslosigkeit, weil sie sich von einem Tier haben einreden lassen, was ihr Gewissen zu bestimmen hat (wie der Schöpfer selbst sein zu wollen. Das habe ich vor 50 Jahren bei dem Baptisten Harvey Cox gelernt).
Zum Geschenk der unverdienten Gnade Gottes gehört es, nicht untätig sein zu müssen. Das gilt gerade und besonders auch für uns alte Menschen! Selbstverständlich sind viele fitte Christen auch während wichtiger Demos an anderen Orten unterwegs, Hände zu halten, Trost zu spenden, Not zu lindern, dem Gemeinwohl zu dienen, ihre Zeit im Gebet für Gott und die Menschen einzusetzen. Aber demonstrieren und beten geht auch sehr gut zusammen! Selbst die Schwestern im Kloster am Hasetor lässt das alles nicht unberührt. [Lest einmal, was die junge Schw. Josefine dazu bloggt.] Eine breite Solidarität mit allen, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung von Gottes Schöpfung engagieren, ist jetzt angesagt. Eine Evangelische Allianz Osnabrück muss in den vordersten Reihen Osnabrücker Friedensinitiativen zu finden sein. Atheisten und Humanisten dürfen gerne von uns lernen, dass Glaube kein privates Pille-Palle ist, und dass Gottvertrauen uns mutig und stark macht [Jos, 1, 9 ff, und damit nicht nur persönliche Folgen hat], sondern auch höchst politische Konsequenzen nach sich zieht.
Zu welch weltweiter Initialzündung („primerar“ – vorangehen, PP. Franziskus!) ein einzelnes 16-jähriges Mädchen mit leichtem Handicap in der Lage ist, haben wir alle heute Mittag gemerkt. Aber auch, dass es Strategien braucht. Auch das Evangelium braucht Verkündiger/innen: Dich und mich! In dieser gottlosen Welt gibt es „heiligen Boden“: Da, wo Du stehst [2. Mos./Ex. 3, 10]!