Kann es so etwas geben?
Jesus hat gesagt, dass seine Jünger eins sein sollen (Joh. 17). Dürfen wir selbst entscheiden, ob wir uns mit anderen eins machen wollen, obwohl Jesus es längst entschieden hat? (Ekkehart Vetter beim Zukunftsforum der EAD)
Wir dürfen uns nicht nur entscheiden, sondern wir müssen es tun!
In Friedrichstadt (Nordfriesland) kann man sich Kirche und ein gedeihliches Miteinander der Konfessionen angucken – im Museum…! Durch die traditionskirchlichen Fusionsmaßnahmen wurden die wenigen verbliebenen Christen auf die Umgebung zerstreut. Folge: Die Ortsgemeinden sind zerschlagen, die alten Kirchen verfallen zusehends, soweit nicht der staatliche Denkmalsschutz das Schlimmste verhindert. [Sonntagsgottesdienst? Man muss schon genau suchen…]
Die Kirche der Zukunft wird es nicht geben, wenn wir an unserem Konfessionalismus festhalten! (Meine Start-These)
Beim leidenschaftlichen Appell „SEID EINS!“ von Andrea Meyerhoff von „Gemeinsam für Berlin“ in ihrem Impulsreferat beim [Zukunftsforum 2019] der Evangelischen Allianz in Deutschland habe ich eine Gänsehaut bekommen – körperliche Reaktion, dass gerade etwas Wichtiges passiert oder mich besonders berührt. Darum habe ich eine Barcamp-Session „Multikonfessionelle Gemeinde“ vorgeschlagen, und auch zwei Mitstreiterinnen entdeckt. Wobei das Attribut „Multikonfessionell“ schon wieder ein taktisches Zurückweichen vor freikirchlichen Positionen ausdrückt, weil manche die Charakterisierung „ökumenisch“ nicht mögen… So what!
Meine Mitstreiterinnen wollten aber beim 2. Durchgang den Fokus mehr auf Gebet legen, und so stand ich vor der Entscheidung, als prophetischer Solist weiterzuarbeiten, oder das Thema zu begraben und mich anderen Workshops anzuschließen. Ich merkte aber, dass ich unter Strom stand, und das wollte jetzt auf einer Flipchart präsentiert werden. Ich kannte dieses Gefühl noch aus meiner Berufstätigkeit als Gemeindereferent, wenn ich z.B. beim Predigen realisierte, dass nicht ich rede, sondern „es in mir“ predigt. Also nicht einschüchtern lassen und frisch ans Werk!
Vier Durchgänge waren geplant: 1. Ausgangssituation, 2. Strategie, 3. Kommentare des Plenums, 4. Einarbeiten der Anregungen.
Bevor die ersten beiden Flipchart-Folien im Saal zum Kommentieren ausgehängt wurden, hatte ich selbst schon kritische Einwände gesammelt. Mir wurde nämlich deutlich, dass meine Strategie-Folie (2.) nichts anderes war als ein unternehmerisches Gemeindegründungs-Konzept, basierend auf dem Modell [missionarischer Zellgruppen] (nach Roberto Bottrel), das im laufenden Kurs des [K5-Leitertrainings] des Forums Wiedenest 2018 vorgestellt wurde und eine Möglichkeit auch von mulitkonfessionellem Kirchenwachstum an einem Ort beinhaltet. Ich konnte [dank einiger Vorkenntnisse] zügig arbeiten, und so blieb sogar noch etwas Zeit für die Schlussphase des Barcamps „Unternehmensprinzipien in der Gemeindearbeit“.
Wichtig bei allem Vorangehen ist mir die Priorität von Gebet. Damit muss ein gesamtes Startup anfangen, und das kann durchaus eine lange erste Phase werden, in der man merkt, ob Gott ein solches Projekt überhaupt auf seiner Agenda für den jeweiligen Ort hat, bzw. welche Modifikationen am Ursprungsentwurf erforderlich werden.
Da Multikonfessionalität ein großes Abenteuer mit Jesus ist und unsere herkömmlichen Vorstellungen von „Bekenntnis“-(Einheitlichkeit) über den Haufen wirft, dürfte der hauptsächlichste Widerstand gegen ein solches Konzept darin bestehen, dass die Relativierung dogmatischer Traditionen (jede Freikirche hat sie aufgrund ihrer Gründungsgeschichte!) die klare Aussage nach sich zieht: Hier kann gar nicht der Heilige Geist am Werk sein!
Gegenargument: Nikolaus Graf von Zinzendorf hat mit seiner Troparien-Lehre beispielhaft gezeigt, dass der Gründungs-Gottesdienst der [Herrnhuter Brüdergemeine] am 13. August 1727 in Berthelsdorf geradezu schon charismatisch konfessionelle Richtungen zusammengeführt hat. Warum soll eine derartige [„Einheit in der Liebe“] heute nicht möglich sein? (Die Herrnhuter sind die einzige Freikirche, die gleichzeitig Mitglied in der [VEF] ist und einen Gaststatus in der EKD innehat.) Naja, und die ökumenische Mönchsgemeinschaft von Taizé… Oder der ökumenische Frauenkonvent im ehem. [Kloster Börstel] im Osnabrücker Land… Oder gemeinsame Raumnutzung von [Traditionskirchen mit Freikirchen], die schnell inhaltliche Schnittmengen in der Pastoral deutlich machen und zu Kooperationen führen (müssen!)… Oder… Hätte Petrus ähnlich ängstliche Vorbehalte wie wir heute gehabt, wäre aus dem 1. Pfingsten nichts geworden. Und hätte Paulus seinen Traum in Troas (Apg. 16, 9-10) als Hirngespinst abgetan, wir würden heute noch auf unseren Maalstätten um die Donar-Eiche herumtanzen…
Die Kommentare der Forums-Teilnehmer gaben denn auch die große Spannweite wieder zwischen „mutig und weiter so“ und „ohne Bekenntnis kann das nichts werden” – wobei es mir ja nicht um „konfessions-frei“ geht, sondern um „multi“: ökumenische Vielfalt als Reichtum zu begreifen. Eine Gemeinde als Mikrokosmos der weltweiten Christenheit muss doch eine große Weitherzigkeit der Theologien abbilden können! Okay, erstmal ein Traum!
Es war dann eine große Herausforderung, die Komplexität dieses Kirchentraums innerhalb von 3 Minuten dem Plenum zu präsentieren. Der Moderator musste mich liebevoll stoppen… Ich habe dazu Multikonfessionalität relativiert: Größtmögliche Gastfreundschaft, größtmögliche Kooperation im konfessionellen Umgang miteinander! Da ist auch heute schon viel mehr „Luft nach oben“, als wir für möglich halten.
Und aus dem Plenum kam sogar ein aktuelles Best-Practice-Beispiel: In Chemnitz haben sich Gemeinden verschiedener Konfessionen zusammengetan, um in einem entchristlichten Stadtteil neue Möglichkeiten zu eröffnen, Gott zu begegnen. (Leider habe ich bis jetzt im Netz noch nichts dazu gefunden.)
Aber in Chemnitz gibt es auch ein Beispiel dafür, dass wir gar nicht unbedingt immer in unseren traditionellen Gemeinde-Kategorien (so mit Hauskreisen und Arbeitsbereichen) denken müssen: [New Generation] ist eine „Kirche im Club-Format“, gast(ronomie)freundlich, die sich gerne mit Events präsentiert.
Vielleicht eröffnet ein Abschied nicht nur von herkömmlicher Konfessionalität, sondern auch ganz grundsätzlich von unserer Vorstellung, wie die Kategorie „christliche Gemeinde“ beschaffen sein muss, ganz andere neue ökumenische Organisationsformen…! Das Zukunftsforum 2019 der Evangelischen Allianz in Deutschland kann also nur der Startschuss sein für die Entwicklung der „neuen Schläuche“ (Lk 5,33-39), in die der „neue Wein“ einer persönlichen Beziehung mit dem lebendigen Gott in Zukunft gehören wird!
P.S.: Am 03.01.2020 hat das NDR-Fernsehen in „Hallo Niedersachsen“ einen Beitrag mit Vertretern der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und des Bistums Osnabrück zum Thema „Ökumenische Gemeinden“ gesendet, ohne dass deren Protagonisten beim Zukunftsforum dabei waren. Ein Fingerzeig des Heiligen Geistes. [Es geht also weiter!]
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