Die jährliche Mitarbeiterkonferenz des [Mülheimer Verbands], nach [digitalem Format 2021] diesmal hybrid und in der Paulus-Gemeinde Bremen, also auch in Präsenz. Meine erste „Massen“veranstaltung seit dem [Zukunftsforum der EAD] 2019!
Nun gut: Die „Massen“ waren in Präsenz gut 300 Mitarbeiter/innen der Verbandsgemeinden und Interessent/inn/en. Ein bewährtes Level. Auffällig: Der MV ist jung! – obwohl es noch zwei eigene Events für junge Leute gibt. Klar, dass die Mobilität für uns Greyheads schwieriger wird, aber einige wollten sich die ECHT! dennoch nicht entgehen lassen und waren auch mit ihren Handicaps hochwillkommen.
Zu Hause im Hauskreis wurde ich als erstes gefragt: „War der Krieg in der Ukraine Thema?“ Friedensfragen standen nicht auf dem Programm obenan, aber in den Gebeten und Gesprächen gegenwärtig waren die Probleme schon, abgesehen davon, dass wir unter den Konferenzteilnehmern und Backstage-Mitarbeitern auch Ukrainer hatten. Einer meiner Sitznachbarn hatte gerade eine Seminararbeit zu „Friedensethik und Evangelium“ zu schreiben. Meine [momentane Unsicherheit] in Bezug auf meine pazifistische Werteerziehung konnte ich daher gut ins Gespräch bringen.
Bei der Anmeldung zur Konferenz habe ich mich als Helfer gemeldet und wurde zum Checkin- und nächtlichem Co-Schutzengeldienst in der Massenunterkunft eingeteilt, was sich mit ca. 40 Übernachtungsgästen aber in Grenzen hielt. Ein paar Klassen- und die Sanitärräume der [Freien Evangelischen Bekenntnisschule Bremen, FEBB] durften in Beschlag genommen werden. Danke! Da sich mein Dienst auf die Tagesrandstunden beschränkte, konnte ich das gesamte Programm mitmachen.
Den roten Faden der ECHT!2022 und die Themen der Impulse für alle bildete die „Grammatik Gottes“ hinsichtlich dessen was für ihn kostbar ist: Ich bin kostbar, Du bist kostbar, Er (Jesus Christus) ist kostbar, Wir (als Gemeinde) sind kostbar. Nach sieben Jahren eine Vertiefung dessen, was ich schon einmal bei [Wanderexerzitien 2015] erlebt hatte, als ich meine Gemeinde gerade kennenlernte. Die Impulspredigten waren in Gebets- und Lobpreiszeiten eingebettet. Überhaupt wurde viel gebetet, zwischendurch und parallel, in kleinen Gruppen oder zu zweit, auch als Dienst füreinander und mit der Möglichkeit zur Krankensalbung. Die tut ja auch bei seelischen Herausforderungen gut, nicht nur bei schweren körperlichen Krankheiten oder vor OPs. Eucharistie/Abendmahl haben wir am ersten Abend gefeiert.
Soweit ich sehen kann, kamen alle Referent/inn/en aus dem Mülheimer Verband. Einmal mehr wurden die charismatischen Kompetenzen aus den Gemeinden deutlich, ganz gleich ob es sich um Mitarbeiter/innen oder Gemeindeleitungen handelte. Was mich immer wieder begeistert, ist die hohe Professionalität der Methoden, mit der in den MV-Gemeinden gearbeitet wird. Hier konnte sie von allen erlebt werden. Eine Übersicht der Seminarthemen [gibt es hier], und [hier das Programm] der ECHT!2022.
Meine persönliche Auswahl fiel auf Leitungs- und Kommunikationsthemen, die online bereits vor der eigentlichen Präsenztagung per Zoom-Meeting behandelt wurden. „Missionale Gemeinde“ war dann der Fokus, mit dem ich in die Präsenztagung gegangen bin. Eines der in allen Konfessionen und weltweit effektivsten [Glaubenskurs-Formate ist Alpha]. Im Seminar ging es nicht um eine Einführung (alle Teilnehmer/innen kannten Alpha und haben schon einmal einen Kurs mitgemacht oder angeboten), sondern um eine „Alpha-Kultur“, die das Profil einer Gemeinde prägen soll. Alpha also nicht nur für Beginner im Glauben, sondern auch als Vertiefung für schon Glaubende! Die elf Alpha-Seminarteile wurden alle ganz neu medial aufbereitet, sodass Vortragende entbehrlich werden. Man schaut die hervorragend gestalteten Videos und geht dann in Tischgruppen, wo ein Gemeindemitglied vorrangig Zuhörender ist, bevor Fragen besprochen und geklärt werden. Der Aufwand für das gemeinsame Essen zu Beginn kann frei gestaltet und der jeweiligen Gruppe angepasst werden. Ganz darauf verzichten sollte man allerdings nicht: Gastfreundschaft und Mahl halten sind nun einmal christliche Basics, bevor es um die Sache der Glaubensverkündigung und -vertiefung geht.
Im Seminar „Missional Predigen“ haben wir nach einer kurzen Begriffsklärung einen „Werkzeugkasten“ geöffnet. Freikirchliche und andere Gemeinden leiden unter einer Insider-Sprache, die vielen Menschen außerhalb ihrer theologischen Blase unverständlich ist. Das geht von altertümelnden Bibelzitaten über theologische Fachausdrücke bis hin zu Formeln, mit denen der Glaube im Alltag verbrämt wird. Predigen (zu Gemeindemitgliedern und zu Gästen!) sollte sich diesen Unsitten geflissentlich enthalten. Wer sind die Zuhörenden? Wieviel weiß ich von den Gästen? Wie angemessen ist mein Predigtziel? Welche Einzelschritte werde ich gehen? Gebe ich Antworten auf Fragen, die gar nicht gestellt wurden? Pauschalisiere ich gerne („Wir alle haben sicherlich schon einmal…“, „Der Mensch sehnt sich nach…“)? Benutze ich die Bibel als Steinbruch oder Rezeptbuch? In Kleingruppen haben wir Auszüge tatsächlich gehaltener Predigten analysiert.
Ein wesentlicher Schwerpunkt einer effektiven Konferenz sind die Pausengespräche und die beim Essen! Die leibhaftige Begegnung in Blick, Mimik und Gestik kann mit einem Onlinemeeting nur teilweise und daher sehr unvollkommen geleistet werden. Ich habe mit Menschen aus Berlin, Wunstorf, Stuttgart und Flensburg zusammengesessen, neben den vielen Einzelnen, über deren Wiedersehen ich mich freuen konnte. Dieser Austausch, der auch „ins Eingemachte“ gehen durfte, ist eine große Hilfe für den Alltag, wenn man wieder nach Hause gekommen ist. Besonders erinnere ich mich an ein Gespräch über die Vorstellungen, die wir von Gott haben. Ich konnte lernen, dass Gott „als Person“ von jungen Leuten ganz anders wahrgenommen wird, als was ich im Studium über den scholastischen Personbegriff gelernt hatte, mit dem traditionellerweise die Dreieinigkeit theologisch erklärt wird. Mein Verständnis und meine Sprechweise erwies sich damit als ziemlich aus der Zeit gefallen. Für meine Gesprächspartnerin war „Person“ nämlich ziemlich handgreiflich. Sie mochte Gott nicht „in einen phänomenologischen Sack stecken“. Gott ist „einfach“ unfassbar – jedenfalls übersteigt er unsere Erklärungsversuche und ist damit „größer“ als alles. Das fasziniert über alle Generationen hinweg!
In der Schule waren auch die Jugendlichen von [Master’s Commission] aus Berlin untergebracht, die hier einen ihrer Outreach-Einsätze im Helferteam der Konferenz hatten. Daher hatte ich auch Kontakt zur Gruppenleitung. Junge Leute gehen nach dem Schulabschluss für ein oder zwei Jahre nach Berlin, um sowohl eine Schulung in Jüngerschaft, als auch Orientierung für ihre berufliche Zukunft zu suchen. Ich habe in meiner Gemeinde bisher zwei ihrer [Einsätze mitbekommen], und war auch schon 2017 beim [Dynamissio-Kongress] zu einem Kurzbesuch in der Berliner Lukas-Gemeinde bei ihnen. Das Konzept von „MC“ und die Begegnung mit ihren Protagonisten übt eine eigenartige Faszination auf mich aus – wahrscheinlich, weil Jüngerschaft nicht nach einem Kurs einfach abgehakt werden kann, sondern auch bis ins Alter eine ständige und wachsende Aufgabe bleibt. Welche Formate sind für uns Ältere sinnvoll und möglich? Sie müssten wegen unserer familiären und beruflichen Bindungen zeitlich sehr überschaubar sein. Irgendwie eine Art „Aktivurlaub für die Seele“?
Was nehme ich mit nach Hause?
Neben dem guten Gefühl der „Akku-Aufladung“ ist es die gleiche Augenhöhe in den Gesprächen, egal ob mit Jungen, Alten, Pastoren, Akademikern, Handwerkern oder IT-Affinen. Der MV ist eine Duz-Gemeinschaft. Ich empfinde das weniger als familiär, sondern mehr als kollegial. Wir wollen einfach „ECHT!“ sein, im Miteinander und in unserer Beziehung zu Gott.
1.
„Er deckt mir den Tisch im Angesicht meiner Feinde, er salbt mein Haupt mit Öl und füllt mir reichlich den Becher“ (Ps. 23, 5ff). Ein Hinweis darauf, meine Aufgaben zu Hause zu fokussieren und mich evtl. in meiner Gemeinde zu engagieren. Die Jugendküche ist in einem stark verbesserungswürdigen Zustand, bevor sie überhaupt einigermaßen vernünftig genutzt werden kann.
2.
Missional von Gott zu reden und Gemeinde zu bauen muss verständlich sein. Keine „Churchies“! Das ist nichts Neues, aber ertappen tue ich mich schon noch dabei, nicht kontextsensibel zu sein. Kein Überstülpen von Bibel-Fundismen, Moral und Verhaltenscodex: Wer von unseren Zeigenossen möchte zu irgendetwas „gemacht werden“, was er nicht von sich aus entdeckt und für das er oder sie sich freiwillig entschieden hätte?
3.
Kostbar: Mein Gott ist kostbar für mich, weil er zu mir sagt: Du bist kostbar! Er sagt Du zu mir. Bei vielen Anbetungsliedern mache ich einen Stellungswechsel: Nicht nur ich verehre Gott, sondern er seht auch vor mir und „verehrt mich“ – zumindest interessiert er sich sehr für mich, ja „Er kämpft meine Kämpfe“, heißt es im Song „Mein Gott ist größer“. Ich muss nicht darum bitten, dass Gott Herz und Hände für mich öffnet. Er hat es längst getan, und fragt umgekehrt vielmehr mich, ob ich es denn nicht auch will. Aus Gottes Perspektive die Welt sehen – und auch mich… Eine Gemeinde als Wohlfühl- und Freizeitverein geht voll an ihrer Aufgabe als Kirche in dieser Zeit vorbei. In unseren Gottesdiensten müsste ein „ordentliches“ Fürbittgebet für die Anliegen der Welt, der Kirche, unserer Gemeinde und von Notleidenden die Regel sein. Dieses nach der Predigt zu leiten könnte eine schöne Aufgabe für Gemeindeleitungs-Mitglieder sein, jeweils in wöchentlichem Wechsel.
4.
Mich hat beeindruckt, wie wir diese ECHT! mit einer langen Gebetsstille begonnen haben! Kein „Sportarena-Intro“ von der Band, kein Zutexten mit Gebeten. Ich verausgabe mich auch gerne und durchaus sportlich im Lobpreis und dessen Musik, habe bei den Texten aber jetzt stark zunehmend den Eindruck, dass wir von Gott und Jesus weg in irgendwelche Himmelshöhen entführt werden. Jesus als Auferstandener lebt mitten in all dem Staub der Welt, und zwar heute. Der König ist in Wirklichkeit ein Bettler, unauffällig, obdachlos. Die amerikanische Christkönigs-Mystik geht mir viel zu weit. Gottes Thronsaal mit Jesus zu seiner Rechten sind unsere Straßen, Fabriken, Häuser und auch in Europa wieder Schützengräben. Noch einmal: Ostern heißt: Jesus ist lebendig, und zwar heute und hier. Auferstehung ist mehr als ein historisches Datum. Sie eröffnet Zukunft! Schenkt Hoffnung! Jesus ruft uns keine ewigen Weisheiten vom Himmel her zu, sondern seine Art ist Klinkenputzen! Hier bei uns steht er vor unserer Tür, und klopft an. Mehr nicht. Es ist unser Ding, aufzumachen. Er möchte in unsere WG – nicht um als König zu herrschen, sondern um uns zu dienen – die Füße zu waschen (und vielleicht doch auch den Kopf…). Wir sind seine Hausgenossen (Eph. 2, 19), d.h. auch: Wir haben einen Hausschlüssel für Gottes Reich. Manche Lobpreislieder verbannen Jesus in ein Wolkenkuckucksheim. Das geht mir auf den Keks. „Königskind“ zu sein weckt bei mir sehr negative und widerständige Gefühle: Ist dieses Bild doch zentrales Logo einer Spielautomaten-Hölle… Beim Singen (ja, ich sing trotzig mit) lasse ich dann meine Hände gerne ausgebreitet, aber unten oder höchstens in Schulterhöhe.
Nach Abschluss-Gottesdienst zusammen mit der Paulus-Gemeinde Bremen und Zeltabbau habe ich dann den Weg nach Hause unter meine Füße bzw. meine Fahrradpedale genommen. Die 10 km über den Weser-Radweg auf dem Deich und durch duftende Rapsfelder bin ich am S-Bahn-Halt Dreye vorbei gleich bis zum nächsten Regionalexpress-Bahnhof Kirchweyhe durchgefahren und konnte so schon die ersten Eindrücke verdauen. Die ECHT! 2022 hat super gut getan!
Nach der ECHT! ist vor der ECHT!:
Fr. 05.–So. 08.05.2023 in Keltern, bei der [Christl. Gemeinschaft Ellmendingen].