Jede/r kann sich aktiv einbringen. (Nicht nur beten und abwarten. Im Weihnachts-/Neujahrspfarrbrief der für mich zuständigen Gemeinde habe ich allerdings nichts dazu gefunden…) Weil ich mich schon vor einiger Zeit für einen anderen Weg entschieden habe [Mitmachen in einer synodalen Gemeinde], liegen andere Aufgaben vor mir. Aber herummäkeln und sich raushalten ist das Eine, konstruktive Kritik üben und Vorschläge zur Problemlösung zu machen, das Andere. Also habe ich mir jetzt doch den [Fragebogen zum synodalen Weg] angesehen. Meine Äußerungen sind keine wasserdichte Analyse und keine strategische Projektplanung. Sie kommen auch „aus dem Bauch heraus“ und könnten mich als unausgegorenen Spinner desavouieren. Das lasse ich mir aber gefallen. Grundsätzliche Probleme verlangen unkonventionelle Lösungen „ohne Beschränkungen und Ängste“ (PP. Franziskus). „Neuer Wein gehört in neue Schläuche“ (Mt. 9, 17) ist die Quintessenz meiner Bloggerei von 2014 bis 2019. Hier also mein heute abgeschicktes „Outing“ zu den 4 x 3 Fragen und ein Statement im Wortlaut:
1. Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag
Die Frage nach der Macht in der Kirche muss sich immer wieder an dem Wort Jesu messen lassen: „Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ (Mt 20,26–27) Jeder Missbrauch von Macht in der Kirche verdunkelt das Evangelium und verletzt Menschen.
Frage 1: Welche konkreten Erfahrungen von Macht und Ohnmacht haben Sie in der Kirche gemacht und was muss Ihrer Meinung nach in der Kirche verändert werden, damit der Umgang mit Macht besser kontrolliert und Machtmissbrauch verhindert werden kann?
Das hierarchische Organisationssystem in der gegenwärtigen Form ist historisch gewachsen und hat sich bisher nicht von seinem staatskirchlichen Korsett emanzipiert. Das „heilige römische Reich“ steckt noch in der röm.-kath. DNA. Die kath. Hierarchie ist so keinesfalls gottgewollt.
Wir brauchen eine echte Gewaltenteilung, d.h. eine synodal verfasste Kontrollinstanz in Form einer „externen“ Gerichtsbarkeit. Das ist eine alte Forderung der Würzburger Synode, die immer noch nicht umgesetzt wurde!
Machtmissbrauch (gerade auch geistlicher Missbrauch) kann am besten dadurch vermieden werden, wenn der Dienstcharakter des Amtes nicht nur verbal, sondern auch strukturell neu geordnet wird. Wie das geht, machen uns viele Freikirchen schon lange vor (z. B. die schon sehr „alten“ Herrnhuter). Der museale Karneval liturgischer und anderer öffentlicher Bekleidungssitten von Amtsinhabern würde dann ganz von selbst aufhören. Das ist nur EIN Symptom für den Reformationsbedarf der römischen Kirche, aber ein sehr sichtbares.
Frage 2: Wie können mehr Menschen aktiv an den Aufgaben und Entscheidungen in der Kirche beteiligt werden?
Durch eine echte synodale Kirchenverfassung.
Frage 3: Wie können wir im Sinne von Papst Franziskus als Kirche in Deutschland überzeugender eine dienende Kirche sein?
Indem wir endlich den Grundauftrag aller Kirchen anpacken würden, nämlich „Jünger zu machen“ (KKK Prolog), d.h. auch als Katholiken zu evangelisieren (vgl. Evangelii Nuntiandi 14, das gesamte Progamm von Evangelii Gaudium, Gemeinsam Kirche Sein der dt. Bischöfe). Die [Fokussierung auf die Eucharistie] vernachlässigt bisher völlig ihre Vorbedingungen, die man in der Liturgiekonstitution unter Nr. 9 nachlesen kann. Mir klingt es fast wie ein freikirchliches Manifest! Und müsste doch methodische Konsequenzen haben: Erst Bekehrung, dann Eucharistie.
Unsere gut bezahlten Pastoralteams haben es [bisher nicht vermocht], die Vision von Evangelii Gaudium und deren Start in Nr. 3 in pastorale regionale Leitbilder umzusetzen. PP. Franziskus fährt einen ausgesprochen evangelikalen Ansatz („conversión“ – Bekehrung, Kehrtwende), der mit „Neuausrichtung“ leider nur sehr müde übersetzt wurde! In Deutschland sind wir viel zu ängstlich vor solch echter „Jesus“- bzw. Bekenntnis-Ökumene.
2. Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
Die Sexualmoral der Kirche muss Maß nehmen an der Liebe Gottes, die uns Jesus Christus gezeigt hat. Für viele Menschen sind Hingabe und Treue auch heute sehr hohe Werte für ihr Leben. Dennoch ist die kirchliche Sexuallehre in einer großen Krise. Viele ihrer Weisungen haben massiv an Akzeptanz verloren. Sie scheinen vielen Menschen heute nicht lebensdienlich zu sein und geben ihnen keine Orientierung mehr.
Frage 1: Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht, welche Erkenntnisse oder Überzeugungen persönlich gewonnen?
Ich sage ganz offen, dass wir als junges Paar sehr kritisch mit der kirchlichen Sexualmoral umgegangen, und uns dennoch viele Jahrzehnte treu geblieben sind (einfach weil wir es wollten und uns ja auch versprochen hatten).
Konkret: die Verengung von Sexualität auf ehelichen Geschlechtsverkehr ist unangemessen. Wie so vieles im Leben geht es auch bei der sexuellen Entwicklung um Prozesse. Ein/e 14-Jährige/r ist biologisch und von seinem/ihrem Reifungsstand gar nicht in der Lage, „volle geschlechtliche Hingabe“ zu leben. Sexualität damit gleichzusetzen und in Gänze zu verbieten und zu tabuisieren geht daher in der Lebensrealität vorbei (vgl. die einschlägigen Kapitel im „Youcat“). Hier können interdisziplinäre Forschungsmaßnahmen (Sex ist nicht nur ein Thema der Moral!) erst einmal eine Bestandsaufnahme machen und dann Orientierungspunkte erstellen, die das biblische Menschenbild attraktiv machen. Vielleicht kommen wir dann zu der Erkenntnis, dass es EIN einzelnes, ausschließliches Menschenbild in der Bibel gar nicht gibt?
Frage 2: Wie kann die Kirche Ihrer Meinung nach das Evangelium von der Liebe Gottes in unserer Zeit überzeugender verkünden?
Die Frage wird hier in diesem Kontext eingegrenzt auf Sex und Zusammenleben. Die Liebe Gottes kommt in dieser Welt „sakramental“ zur Wirkung, und damit meine ich nicht nur die kirchlich anerkannten sieben Sakramente. Sakrament ist viel mehr als eine kirchliche Amtshandlung, für die ein Amtsinhaber vorhanden sein soll. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt. 18, 20) ist doch kein frommes Sprücheklopfen! Sakramentalität in einem so ausgeweiteten Verständnis lässt sich auch nicht auf die christliche Ehe konzentrieren, weil es hier nicht um die Hochzeitsfeier geht, sondern um eine Lebensweise, und weil hier die Sakramentenspender eben keine Amtsinhaber sind.
Frage 3: Was ist Ihnen wichtig in der Sexuallehre der Kirche und was müsste dringend verändert werden?
Mein Ansatz ist: Glaube generell ist eine „Beziehungskiste“ (EG 3). Gott selbst in seiner Dreieinigkeit ist Beziehung pur. Menschliches Zusammensein hat immer auch eine identitätsstiftende (also auch „sexuelle“) Komponente. Hier müssen alle Lernprozesse erlaubt sein, die auf Entscheidungsfähigkeit und -freudigkeit hinauslaufen („Bekehrung“).
3. Priesterliche Existenz heute
Als Hirte und Seelsorger ist der Priester auch in der säkularen Welt von heute sehr geschätzt. Gleichzeitig wird er in seiner Identität und Glaubwürdigkeit – nicht zuletzt auf dem Hintergrund der bekanntgewordenen Missbrauchsfälle – vielfach in Frage gestellt. Das betrifft insbesondere auch seine zölibatäre Lebensform, die sich an der Lebensform Jesu orientiert, ihre Ausstrahlung aber weithin nicht mehr entfaltet. Der weitgehende Priestermangel und die veränderten Rahmenbedingungen unserer Zeit machen die Frage nach einem erneuerten, zukunftsfähigen Profil des geistlichen Amtes im Zusammenspiel mit den vielfältigen pastoralen Diensten und Ämtern und den unterschiedlichen Charismen der Gläubigen dringlich.
Frage 1: Was zeichnet Ihrer Auffassung nach einen authentischen Priester heute aus, welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte er besitzen?
Er oder sie sollte immer einen bürgerlichen Beruf erlernt haben und ausüben – also vorwiegend neben- oder ehrenamtlich tätig sein, so wie es in der apostolischen Zeit auch war und wie es einige „Arbeiterpriester“ durchaus noch sind.
Frage 2: Wie kann ein authentischer Priester mitten in der Welt von heute in der Nachfolge Jesu leben, welche Lebensform halten Sie für den Priester heute für angemessen?
Priester sollen „mitten in der Welt“ leben, in allen biblisch begründbaren Lebensformen, solo, in und als Familien, in WGs, in Klöstern oder anderen geistlichen Gemeinschaftsformen, halt wie in allen Lebensformen, die „normalen Christen“ auch offen stehen.
Frage 3: Was müssen wir in der Kirche tun oder verändern, damit es mehr Berufungen gibt und der Dienst des Priesters attraktiver für junge Menschen wird?
Indem wir endlich unseren missionarischen Grundauftrag in den Gemeinden umsetzen und jede/r Christ/in seine und ihre Berufung findet und lebt. Heiligkeit ist für alle da! Dann wird Priester nichts Besonderes, Hervorgehobenes, Geheimnisvolles, Klerikales, Exzellentes oder Eminentes sein, sondern ein ganz normaler Dienst unter vielen anderen, vielleicht sogar wichtigeren. Die Kirche nicht nur in Deutschland braucht Evangelist/inn/en!
4. Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche
Frauen tragen und gestalten einen überaus großen Teil des Lebens in unserer Kirche. Sie engagieren sich in vielfältigen Diensten und Ämtern in der Kirche. Dennoch sind sie in Leitungspositionen bis heute unterrepräsentiert. Nicht wenige leiden darunter, dass den Frauen nicht alle Dienste und Ämter in der Kirche, insbesondere das Weiheamt, offen stehen.
Frage 1: Wie sehen Sie die Rolle der Frau in der Kirche?
Diskriminiert und daher unangemessen.
Frage 2: Was müsste sich ändern, damit mehr Frauen Leitungspositionen in der Kirche übernehmen (können)?
Es gibt ja bereits Kompetenzförderung bes. für Leitungsämter von Frauen. Das gegenwärtige Weiheamt in seiner mittelalterlichen Form ist allerdings grundsätzlich keine Option für die Zukunft der Kirche (siehe oben Thema 1). Eine simple Öffnung dieses Weiheamtes für Frauen würde eine gigantische Re-Klerikalisierung nach sich ziehen. Ich schließe mich PP. Franziskus an, dem es gerade um eine radikale und umfassende ENT-Klerikalisierung geht. Also: alle Dienste auch für Frauen, aber nicht mit dieser hierarchischen Kirchenverfassung.
Frage 3: Wie müsste das Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche gestaltet sein, damit wir in unserer Zeit glaubwürdig das Evangelium verkünden können?
Wertschätzend, respektvoll, kompetent, liebevoll „ein/e jede/r schätze den anderen höher als sich selbst (Phil. 2, bes. V. 3)“, also einfach wie normale Menschen, die sich um das gesamtgesellschaftliche Wohl kümmern!
Sonstiges
Ich habe die Befürchtung, dass der [Synodale Weg eine Sackgasse] wird, weil hier an Symptomen herumkuriert und das Übel nicht an der Wurzel gepackt wird. Eine „echte Synode“ wäre auch kirchenrechtlich überzeugender gewesen. Die „Würzburger Synode“ des vorigen Jahrhunderts ist in wesentlichen Punkten immer noch nicht umgesetzt. Der dreijährige [„Dialogprozess“ der letzten Jahre] blieb in den Gemeinden resonanzlos und damit folgenlos. Kirchensteuermittel und Mitgliederkompetenz wurden in den Sand gesetzt.
Es braucht eine umfassende Kehrtwende in der Pastoral, in der Strukturverfassung und in der missionalen Motivation jedes Kirchenmitglieds. Der päpstlich mehrfach betonte [Vorrang der Evangelisation vor jeglicher Strukturreform] wurde überhört und sogar abgeschmettert. Die kath. Kirche in Deutschland hat ihre gesellschaftliche Überzeugungskraft verloren und punktet nur noch diakonisch (was immerhin nicht unwesentlich ist). Sie ist [lt. FAZ 2015 „spirituell bankrott“].
Für wen soll der Synodale Weg gut sein? Für die kleine Schar der nach 2030 übrig Gebliebenen? Die Grey-Heads, die noch unsere Gottesdienste mitfeiern, werden dann nicht mehr da sein, mich eingeschlossen. Meine persönliche Entscheidung für eine gemäßigte Pfingstgemeinde „jetzt“ ist eine Konsequenz, die realisierbar ist. Wir wachsen und müssen bald neu bauen. Damit zeigen wir immerhin: Es geht! Mission is possible! Auch wir sind Glied der Kirche von Osnabrück und weltweit aktiv. Kommt und seht!
Fragenkatalog: © 2020 Deutsche Bischofskonferenz und ZdK
Außerhalb des deutschen Verbandskatholizismus und des evangelischen Kulturprotestantismus ist man schon viel weiter, und hat [keine Angst, evangelikal] zu sein, wie PP. Franziskus (vgl. EG 3, wobei im Englischen „evangelical“ ganz allgemein „evangelisch“ bedeutet).